Dammbruch in Houston: "Sofort raus jetzt!!"

Brays Bayou ist an der Belastungsgrenze.
Brays Bayou ist an der Belastungsgrenze.REUTERS
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Der Regen in Texas hört nicht auf. Ein Damm ist gebrochen. Die Behörden in Houston müssen außerdem zwei Wasser-Reservoire öffnen, was die überschwemmten Gebiete der Stadt zusätzlich belasten wird.

Nach immer neuem Regen hat sich die Lage in der texanischen Metropole Houston nicht entspannt - im Gegenteil. Nach einem Dammbruch infolge des Tropensturms "Harvey" haben die Behörden im US-Bundesstaat Texas die betroffenen Bewohner zur sofortigen Evakuierung aufgefordert. "Sofort raus jetzt!!", schrieb die Verwaltung des Kreises Brazoria am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der Damm an den Columbia-Seen südlich der Großstadt Houston habe unter dem Druck der Wassermassen nachgegeben.

Außerdem halten zwei Wasser-Reservoire dem enormen Druck nicht mehr Stand. Die Behörden müssen Wasser in das ohnehin bereits überlastete System der Stadt ablassen, hieß es am Dienstag. Sechs Viertel rund um die Reservoire sollen evakuiert werden, bevor das Wasser abgelassen wird. Die Gegenden rund um den Fluss Buffalo Bayou, der mitten durch die Stadt fließt, wird somit zusätzlich belastet. Bisher war die Innenstadt von ärgsten Überflutungen verschont geblieben.

"Das ist etwas, was wir noch nie gesehen haben", sagte Jeff Linder, Behördenvertreter von Harris County. "Wir haben keine Sicherheit, wie das Wasser reagieren wird", wenn es von den Reservoiren in das überflutete Abwassersystem der Stadt fließt. Die sintflutartigen Regenfälle haben einen neuen Rekordwert gesetzt. In der Stadt Pearland im Südosten von Houston wurden seit Freitag insgesamt Niederschlagsmengen von 125 Zentimetern gemessen, wie der Nationale Wetterdienst am Dienstag mitteilte. Das markiert einen neuen Rekord bei einem Tropensturm in den USA: Im Jahr 1978 waren demnach beim Sturm "Amelia" 124 Zentimeter gemessen worden.

Trump besucht Texas

Auch der Bundesstaat Louisiana rüstete sich für Überflutungen. In beiden Bundesstaaten gilt der Notstand. US-Präsident Donald Trump machte sich in der texanischen Stadt Corpus Christi ein Bild von der Lage. Trump dankte den Rettungskräften und den Vertretern örtlicher Behörden für ihre Leistungen im Kampf gegen die Fluten. Es sei jedoch noch zu früh, sich gegenseitig zu gratulieren. "Das tun wir erst, wenn es vorbei ist", sagte der Präsident.

Der Präsident wollte nach seinem Kurzbesuch in der Hafenstadt eigentlich in Texas' Hauptstadt Austin weiterreisen. Doch seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders sagte, der Zeitplan könne sich wegen des anhaltend schlechten Wetters in der Gegend ändern.

U.S. President Trump holds a flag of the state of Texas in Corpus Christi
U.S. President Trump holds a flag of the state of Texas in Corpus Christi(c) REUTERS (CARLOS BARRIA)

Am Montag hatte Trump gesagt, er gehe davon aus, dass der Wiederaufbau nach den Überflutungen teuer werde. Er sei in dieser Frage in Kontakt mit dem Kongress. "Wir müssen sehen, was wir für die Menschen in Texas tun können." Dies gelte auch für die Bewohner von Louisiana. Der Präsident sprach den Menschen zugleich Mut zu: "Wir werden das überstehen. Wir werden gestärkt daraus hervorgehen und glaubt mir, wir werden größer, besser, stärker sein als jemals zuvor."

Die Lage in Texas war am Dienstag unübersichtlich, über die genaue Zahl der Todesfälle herrschte Unklarheit. Offiziell bestätigt wurden zunächst drei Tote. US-Medien meldeten aber höhere Zahlen. Der Sender KHOU berichtete von mindestens neun Toten.

Hochwasser nach Tropensturm ´Harvey´
Hochwasser nach Tropensturm ´Harvey´(c) APA

3000 Menschen am Montag gerettet

An einigen Stellen wurden bis zu 127 Zentimeter Regen erwartet, der Wetterdienst warnte weiter vor lebensbedrohlichen Überflutungen. Im Tagesverlauf sollte der Sturm auch Louisiana erreichen. US-Präsident Donald Trump sagte den Betroffenen rasche Hilfe zu. Er reiste am Dienstag in die texanische Stadt Corpus Christi.

Die Lage in Texas war unübersichtlich, über die genaue Zahl der Todesfälle herrschte Unklarheit. Offiziell bestätigt wurden zunächst drei Tote. US-Medien meldeten aber höhere Zahlen. Der Sender KHOU berichtete von mindestens neun Toten.

Nach Angaben des Roten Kreuzes suchten in Texas in der Nacht auf Dienstag rund 17.000 Menschen Zuflucht in Notunterkünften. In der besonders schwer betroffenen Metropole Houston kamen laut einem Medienbericht mehr als 9.000 Menschen im Kongresszentrum unter. Ursprünglich ist das George R. Brown Convention Center nur für 5.000 Menschen ausgelegt. Das Rote Kreuz schicke niemanden weg, berichtete der lokale Sender KHOU.

Der Bürgermeister von Houston kündigte an, weitere Notquartiere für Schutzsuchende zu öffnen. Nach Angaben des Roten Kreuzes suchten in Texas bereits in der Nacht zum Dienstag rund 17.000 Menschen Zuflucht in Notunterkünften.

Die Infrastruktur in und um Houston ist weitgehend zusammengebrochen. Rettungskräfte kämpften sich mit Booten durch die braunen Wassermassen, um festsitzende Menschen aus ihren Häusern zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben der Behörden vom Dienstag brachten Rettungskräfte in der Stadt in den vergangenen Tagen 3.500 Menschen in Sicherheit.

Louisiana rüstet sich

Auch im Nachbarstaat Louisiana werden in den kommenden Tagen heftige Ausmaße befürchtet. In New Orleans sollten Schulen und Behörden am Dienstag geschlossen bleiben, wie die Verwaltung der größten Stadt des US-Bundesstaates anordnete. Bürgermeister Mitch Landrieu empfahl den Bewohnern, ihr Haus nicht zu verlassen. Er riet ihnen, Essen, Trinken und Medikamente für mindestens drei Tage vorrätig haben. Über die Woche sollten rund 25 Zentimeter Regen in der Region fallen. Gouverneur John Bel Edwards sagte, Louisiana stehe das Schlimmste aller Wahrscheinlichkeit nach noch bevor.

Nach Angaben von Meteorologen ist "Harvey" der zweitstärkste Wirbelsturm seit "Katrina" vor zwölf Jahren die Gegend um New Orleans schwer in Mitleidenschaft zog. Der Sturm sog über dem am Ende des Sommers sehr warmen Golf von Mexiko extrem viel Feuchtigkeit auf, die er nun als Regen wieder abgibt.

Stadt steht länger still

Die Rettungsmannschaften konzentrierten sich darauf, in Gefahr geratene Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Teams gingen mit Booten und Hubschraubern vor. Die Infrastruktur in und um Houston brach weitgehend zusammen. Der Internationale Flughafen der Stadt ist bis auf Weiteres geschlossen. Viele Straßen und Autobahnen sind unpassierbar, der Unterricht in den Schulen wurde abgesagt. Ein Österreicher, der in Houston wohnt, berichtete der "Presse" am Montag von der Situation in der texanischen Metropole.

Auch außerhalb Houstons machte der Sturm viele Häuser dem Erdboden gleich. Verschmutztes Trinkwasser wurde mehr und mehr zum Problem. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, Trinkwasser abzukochen.

Flut könnte Alligatoren befreien

Östlich von Houston stand am Dienstag eine Alligatorenfarm Medienberichten zufolge kurz vor der Überflutung. In der Folge könnten 350 Reptilien aus ihren Einzäunungen geschwemmt und in die Freiheit gespült werden. "Wir sind weniger als einen Fuß davon entfernt, dass das Wasser über die Zäune steigt", sagte der Gründer des Alligatorenparks, Gary Saurage, dem Sender KFDM am Montag. Die gefährlichsten Tiere, darunter Giftschlangen, Krokodile und zwei rund vier Meter lange Alligatoren, seien eingefangen und in Käfige gesperrt worden.

Auch die Produktion der Chemieindustrie in Texas beeinträchtigte "Harvey". Der deutsche Spezialchemiekonzern Evonik schloss infolge des Unwetters dort zwei Standorte. Betroffen seien kleinere Werke in Pasadena und Deer Park mit insgesamt etwa 80 Mitarbeitern, sagte ein Konzern-Sprecher am Dienstag. Die Höhe des Schadens sei noch nicht zu beziffern. Es sei gelungen, die Chemikalien frühzeitig in Sicherheit zu bringen, so dass dadurch keine Umweltschäden entstehen könnten, erklärte der Sprecher. Auch der Chemieriese BASF ist in Texas vertreten. Der Konzern prüft nach Angaben einer Sprecherin mögliche Auswirkungen des Wirbelsturms auf Mitarbeiter und sein Geschäft. Das Unternehmen hat in Texas sechs Standorte mit rund 3.000 Mitarbeitern.

Nach Angaben von Meteorologen ist "Harvey" der zweitstärkste Wirbelsturm, seit "Katrina" vor zwölf Jahren die Gegend um New Orleans schwer in Mitleidenschaft zog. Der Sturm sog über dem am Ende des Sommers sehr warmen Golf von Mexiko extrem viel Feuchtigkeit auf, die er nun als Regen wieder abgibt. "Harvey" bewegte sich dabei nur langsam vorwärts.

Beyonce kündigte Hilfe für Hurrikan-Opfer an

Indes hat Beyonce, die wohl bekannteste Tochter der Stadt Houston, Hilfe für die Millionenmetropole angekündigt. Die US-Pop-Diva sagte am Dienstag der Zeitung "Houston Chronicle", sie arbeite gemeinsam mit ihrem Team und ihrem Houstoner Pfarrer an einem Plan, "um so vielen Menschen wie möglich zu helfen". Eine Spendensumme nannte sie keine.

Beyonce, deren gemeinsames Vermögen mit ihrem Ehemann, dem Rapper Jay-Z, auf eine Milliarde US-Dollar (etwa 830 Millionen Euro), geschätzt wird, teilte im Onlinedienst Instagram mit, sie schließe Texas in ihre Gebete ein. Der kanadische Hip-Hop-Star Drake, der ein Anwesen in Houston besitzt, kündigte ebenfalls Hilfe an: Er arbeite "mit lokalen Rettungskräften zusammen, um den Menschen in Texas so schnell wie möglich zu helfen", berichtete er auf Instagram.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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