Mit bis zu 300 km/h fegte der Wirbelsturm über die karibische Inselwelt und zerstörte 95 Prozent der Häuser auf Barbuda. Indessen brauen sich zwei neue Hurrikans zusammen: Katia und José
Washington/Miami. Lange Schlangen an den Supermarktkassen und an den Tankstellen. Geschlossene Läden, volle Autobahnen in Richtung Norden. Und ein höchst besorgter Gouverneur: „Wir können zerstörte Häuser wieder aufbauen – zerstörte Leben aber nicht“, sagt Rick Scott. Sein US-Bundesstaat Florida bereitet sich auf den „lebensbedrohenden“ Wirbelsturm Irma vor, der am Wochenende das amerikanische Festland erreichen dürfte. Die Zerstörungen durch Irma in der Karibik sind ein Vorzeichen und eine Warnung für das, was den USA nur zwei Wochen nach dem Vernichtungsfeldzug von Harvey in Texas bevorstehen könnte.
1. Wie ist die Lage im Einzugsgebiet des Hurrikans Irma?
Mit Windstärken von bis zu 300 Stundenkilometern und zerstörerischen Sturmstärken auf einer 200 Kilometer breiten Front ist Irma einer der stärksten der je registrierten Hurrikans über dem Atlantik. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 Stundenkilometern fräst sich die Sturm der Höchstkategorie fünf in Richtung Westen und zerstört alles, was ihm im Weg steht. Auf Barbuda wurden 95 Prozent aller Gebäude vernichtet – die Insel sei kaum noch bewohnbar, teilten die Behörden mit.
Auch andere Karibikinseln wurden schwer getroffen, mindestens elf Menschen starben. In Puerto Rico fiel die Strom- und Wasserversorgung aus. Nach den Berechnungen der Meteorologen wird der Sturm an diesem Freitag und Samstag nördlich an Kuba vorbei nach Florida wandern. Über dem warmen Wasser der Karibik könnte sich Irma mit neuer Energie aufladen, bevor der Sturm in der Nacht zum Sonntag die USA erreicht. Irma stellt schon jetzt Rekorde auf: Der Sturm peitschte mehr als 24 Stunden mit Geschwindigkeiten von knapp 300 km/h durch die Karibik. Derart lang wurde eine solche Intensität noch nie gemessen.
2. Wie bereitet sich der US-Bundesstaat Florida auf den Ernstfall vor?
Zerstörte Häuser und überflutete Straßen auf den Karibikinseln machen deutlich, was Irma anrichten kann, wenn der Sturm auf das dicht besiedelte Florida trifft. Rettungsteams, die bis vor wenigen Tagen noch in Texas bei den Aufräumarbeiten nach Harvey halfen, wurden in aller Eile in den südöstlichen Bundesstaat verlegt.
Auch Georgia sowie North und South Carolina riefen Warnungen aus. Anders als in Texas, wo die Behörden lang mit Evakuierungsappellen zögerten, ergingen in Florida bereits zwei Tage vor Ankunft von Irma eindringliche Aufrufe an die Bewohner. „Nehmt mit, was ihr braucht, aber nicht mehr“, sagte Gouverneur Scott. Irma könnte nach seiner Einschätzung für Florida schlimmer werden als der Sturm Andrew, der vor 25 Jahren den Bundesstaat verwüstete.
In sozialen Medien wurde am Donnerstag heftige Kritik an Fluggesellschaften laut, die plötzlich die Preise für Flüge aus Florida kräftig angehoben hätten. Nicht alles in Florida kann vor Irma in Sicherheit gebracht werden. Zwei Atomkraftwerke könnten von dem Supersturm in Mitleidenschaft gezogen werden, meldeten US-Medien. Noch sei nicht entschieden, ob die Reaktoren abgeschaltet werden sollten. Der Betreiber betonte, die Kraftwerke seien ausreichend gesichert – aber niemand weiß, wie stark Irma sein wird, wenn der Sturm in Florida ankommt. „Nicht gut, glauben Sie mir“, sagte Präsident Donald Trump über den Sturm.
3. Wird es nach Harvey und Irma eine Atempause geben?
Nein. Noch während in Florida die Menschen in Sicherheit gebracht werden und die Infrastruktur, so gut es geht, gesichert wird, taucht am Horizont bereits der nächste Sturm auf. José ist noch weit weg über dem Atlantik, aber das war Irma vor Kurzem auch noch. Im Golf von Mexiko ist zudem ein dritter Wirbelsturm entstanden, der den Namen Katia trägt. Der September ist der Höhepunkt der jährlichen Hurrikansaison, insofern ist die rasche Folge von Wirbelstürmen nicht außergewöhnlich. Doch dass drei Hurrikans gleichzeitig über atlantischen Gewässern toben, hat es zuletzt im Jahr 2010 gegeben.
4. Ist der Klimawandel für die Stürme verantwortlich?
Wie schon bei Harvey heizen die Ausmaße der diesjährigen Sturmsaison die Debatte über den Klimawandel erneut an. Zwar kann die Erderwärmung allein solche Stürme nicht auslösen. Doch steigende Meeresspiegel und Wassertemperaturen erhöhen das Risiko katastrophaler Stürme, sagen viele Experten. Die Trump-Regierung bestreitet allerdings, dass es den von Menschen verursachten Klimawandel überhaupt gibt. Einige Wissenschaftler betonen, ein Sturm wie Harvey wäre auch ohne Klimawandel katastrophal ausgefallen. Weder Irma noch José noch Katia wird diesen Streit beenden.