Wasserkrise in Tripolis: Libyer müssen sich ihre eigenen Brunnen bohren

REUTERS/Ismail Zitouny
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Wartungsarbeiten am Leitungssystem lassen die gesamte Wasserversorgung der Millionenstadt zusammenbrechen. Es ist ein Sinnbild für das Chaos im Land.

Die Bürger der libyschen Hauptstadt Tripolis sind nach sechs Jahren Bürgerkrieg einiges gewohnt, doch die jüngste Krise stellt sie auf eine harte Probe: Viele Haushalte der Millionenstadt sind ohne fließendes Wasser, seit die Stadtverwaltung kürzlich die Versorgung unterbrach, um das seit Jahren vernachlässigte Leitungssystem zu flicken.

Ein Sabotageakt von Rebellen verschärfte das Problem noch, so dass viele Bürger zur Selbsthilfe griffen: Auf der verzweifelten Suche nach Grundwasser bohren sie überall in der Stadt die Gehsteige auf.

"Wir haben seit zehn Tagen kein Wasser. Der Staat tut nichts", beklagt sich Nasser Said, der Besitzer eines Mietshauses mit sechs Parteien im wohlhabenden Viertel Ben Ashur. Er ist Kummer gewohnt: Um die Stromausfälle zu überbrücken, die manchmal länger als 24 Stunden dauern, hat er bereits einen Generator angeschafft. Nun hat er ein paar Arbeiter angeheuert, die einen über 30 Meter tiefen Brunnen bohren sollen - so tief liegt das Grundwasser hier. "Kein Wasser, kein Strom - man wird zum Staat im Staat."

Seit dem Sturz von Staatschef Muammar al-Gaddafi 2011 versinkt Libyen im Chaos. Hunderte Rebellengruppen kämpfen um die Macht in dem Land, das wegen seines Ölreichtums einst zu den wohlhabendsten Staaten im Nahen Osten zählte. Vor rund zwei Wochen erklärten Aufständische im Süden des Landes, sie hätten mit einem Anschlag die Wasserversorgung über das "Great Man Made River Project" gekappt. Mit dem Projekt wird tief unter der Wüste lagerndes Trinkwasser gefördert und über eine riesige Pipeline in Küstenstädte wie Tripolis gepumpt.

Bohrfirmen profitieren von Krise

In der Hauptstadt lässt die Wasserkrise die Kassen von Bohrfirmen klingeln. Zwischen 3000 und 4500 Dollar kostet ein Brunnen. "Wir bohren etwa drei Brunnen in der Woche. Die Arbeiten dauern jeweils drei bis vier Tage", sagt der 23-jährige Abdulsalam Forganea, der eine alte Bohrmaschine bedient.

Die Bevölkerung von Tripolis ist durch den Zustrom von Flüchtlingen in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Experten gehen davon aus, dass inzwischen rund drei Millionen Menschen hier leben. Die Versorgung wird immer schlechter: Das Gesundheitssystem liegt am Boden, die Inflation ist drastisch gestiegen, und der Beginn des neuen Schuljahrs verzögert sich wegen eines Lehrerstreiks seit Wochen. Die Öleinnahmen sind wegen der schlechten Sicherheitslage stark gesunken. Der Staat gibt einen Großteil seines Geldes für die Bezahlung seiner Beamten aus - darunter viele frühere Rebellen, die ihre Aufnahme auf die Gehaltslisten erzwungen haben.

Für die Wartung und Reparatur der Wasserleitungen bleibt kaum etwas übrig. "Wir haben seit 2011 außer Nothilfen kein Geld bekommen", berichtet der Chef der Wasserbehörde, Naji Assaed. Auch die Entsalzungsanlagen schaffen heute nur noch einen Bruchteil dessen, was sie vor dem Sturz Gaddafis leisteten. Seine Mitarbeiter arbeiteten hart daran, die Wasserkrise zu beseitigen, versichert Assaed, als gerade ein Tanklaster vor seinem Ministeriumsgebäude vorfährt, um Wasser zu liefern. Es sei aber unklar, wann es wieder fließendes Wasser geben werde: "Wir haben keine Ersatzteile, kein Geld, die Sicherheitslage ist schlecht, und die Leute halten sich nicht an das Gesetz. All das erschwert uns die Arbeit."

(APA/dpa)

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