Argentinien: Klopfsignale stammen nicht aus U-Boot

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Die Hoffnung, die ARA "San Juan" mit ihren 44 Insassen zu finden war groß. Doch die Geräusche in 200 Meter Tiefe vor Patagonien am Rand des kontinentalen Abhangs sollen doch nicht vom U-Boot stammen.

Am Montag gab es kurz Hoffnung, das im Südatlantik vor Patagonien vermisste U-Boot ARA "San Juan" zu finden. Seitens der argentinischen Marine sowie Offizieren der U.S. Navy gab es am Montagabend Andeutungen, dass zwei Suchschiffe sowie Flugzeuge per Sonar und abgeworfener Sonarbojen akustische Hinweise im Meer "gehört" und grob verortet hätten. Mit einer speziellen Software wurde jedoch festgestellt, dass es nicht vom U-Boot entstanden, sondern wahrscheinlich biologischen Ursprungs sei, erklärte am Montagabend (Ortszeit) der Marinesprecher Enrique Balbi in Buenos Aires.

Die Geräusche sollen geklungen haben, wie wenn man mit metallischen Gegenständen absichtlich rhythmisch gegen das Innere eines U-Boot-Rumpfes hämmert. So etwas zählt zur Notsignalgebung im Rahmen der Seefahrt.

Die Tauchfähigkeit der San Juan, eines Anfang der 1980er in Deutschland gebauten und 1985 in Argentinien in Dienst gestellten Bootes mit zuletzt etwa 44 Mann Besatzung und 22 Torpedos als Bewaffnung, beträgt mindestens 300 Meter. Sollte sie unter Wasser festhängen, würde ihre Mannschaft nur noch wenige Tage Luft haben - die Rede war am Montag von noch etwa zwei Tagen. Kann sie zumindest kurzzeitig Höhe gewinnen und wenigstens den Schnorchel ausfahren, ließe sich diese Frist verlängern.

Ganz Argentinien ist vom Schicksal des U-Bootes und ihrer Crew gebannt und sein Verlust wäre eine nationale Katastrophe - noch dazu in Zeiten, wo die militärischen Kapazitäten des Landes, das so gerne eine regionale Großmacht sein würde, im Keller sind. In zahlreichen Kirchen beten die Menschen; Papst Franziskus, selbst ein Argentinier, hatte erst am Samstag gesagt, auch er bete für die Rettung der U-Boot-Fahrer.  

Unklare Maßangaben, unterseeische Wegemarke 

Die vermeintlichen Klopf-Geräusche seien vor der wüstenhaften Halbinsel Valdés, die für ihre großartige Tierwelt samt Robben, Walen, Pinguinen und Delphinen berühmt ist, aufgenommen worden. Eine Stelle, die fast exakt 360 km ostsüdöstlich von einer der Ostspitzen der Peninsula Valdés liegt, eine markante, kegelförmige unterseeische Erhebung, die, wie die "Presse" einmal aus britischen Marinekreisen erfahren hatte, als eine Art Wegemarke für U-Boote dient. Der Kegel befindet sich auch genau an der Oberkante des kontinentalen Abhangs, der letztlich in Tausende Meter Tiefe hinabführt.   

Unklarheit ergeben sich dadurch, weil die Suchkräfte - darunter Schiffe und Flugzeuge aus Argentinien, Uruguay, Brasilien, Chile, den USA und Großbritannien -, vor allem aber die nationalen Medienanstalten mithin unterschiedliche Maßeinheiten verwenden. So war seitens des US-Senders CNN am Montagnachmittag von einer Entfernung von 330 "Meilen" vor der Küste die Rede - das kann in Englischen- und US-Meilen rund 530 km entsprechen (1 Meile = ca. 1,61 km), aber auch, nimmt man Seemeilen (1 Seemeile = 1,852 km), etwa 611 Kilometer. In beiden dieser Fälle würde die San Juan dann aber viel tiefer als nur 200 Meter liegen, anders gesagt: Sie wäre wohl bereits durch den Wasserdruck zerstört.

Ein Sprecher der Armada Argentina gab übrigens erneut, wie schon zu Beginn des Dramas, an, dass das Boot wohl einen "Fehler" im Batteriesystem des Elektroantriebsegmentes haben dürfte. Es war etwa schon von einem Brand die Rede, was in einem abgeschlossenem System eines U-Bootes schwere Folgen haben kann.

Das Boot war auf einer Routinefahrt von Ushuaia in Feuerland an der Südspitze Amerikas zum Hauptstützpunkt Mar del Plata in der Region Buenos Aires, als es am Mittwoch verschwand. Für ein defektes U-Boot lautet zwar die Devise, dass es auftauchen muss. Allerdings herrschen in der betreffenden Gegend des Südatlantiks momentan schwere Stürme und Wellenhöhen von um die acht Metern.

Dieses Video von der Brücke des argentinischen Zerstörers "Sarandí" mag die Lage einigermaßen veranschaulichen. Für ein deutlich kleineres U-Boot wie die San Juan wäre die Situation aufgetaucht kaum durchstehbar.  

Die Gegend ist grundsätzlich für extrem schlimme Wetterverhältnisse bekannt, zu Zeiten der Segelschiffe dauerte es mitunter viele Monate, bis man die Südspitze Südamerikas umrunden konnte, solange hingen die Schiffe im Gegenwind (Grundrichtung meist West oder Süd) fest oder mussten an Land pausieren.

Hilfe vom Erzfeind

Vor allem die Einbindung der Briten in die Suche mit mindestens zwei Schiffen und einem Flugzeug, die von den Falklandinseln vor Patagonien aus operieren, ist bemerkenswert: Immerhin sind beide Länder Erzfeinde in der Region. Argentinien beansprucht die seit 1833 britische Besitzung der Falklands (Islas Malvinas) und hat sich deswegen 1982 in einen Krieg mit London verleiten lassen, den es nach wenigen Monaten hochkant verloren hat - letztlich damit aber auch seine damalige Militärdiktatur. 

Am Samstag waren Signale eines Satellitentelefons aufgefangen worden: Insgesamt waren sieben Anrufversuche zu Militärstützpunkten registriert worden, die vier bis 36 Sekunden gedauert hatten. Die Signale waren zu schwach gewesen, um Kontakt herstellen zu können, hatten aber die Hoffnung aufkeimen lassen, den Aufenthaltsort der ARA San Juan ausmachen zu können. Im Laufe des Montags stellte sich aber heraus, dass diese Notsignale nicht vom Satellitentelefon der San Juan gekommen waren.

Ebenfalls am Montag wurde bekannt, dass das U-Boot vor dem Verschwinden am vergangenen Mittwoch aufgetaucht war und „ein mechanisches Problem“ gemeldet hatte. Der Chef der Marinebasis Mar del Plata, Kapitän Gabriel Galeazzi, hatte es daraufhin zum Stützpunkt zurückbeordert. „Mechanische Probleme“ seien nicht selten und stellten üblicherweise kein Risiko dar, so Galeazzi. Die ARA San Juan war auf Routineeinsatz etwa 400 Kilometer südlich der Hauptstadt Buenos Aires unterwegs gewesen, als der Kontakt abbrach. Mit an Bord ist auch die erste U-Boot-Offizierin Argentiniens und ganz Südamerikas, die 35-jährige Eliana Krawczyk.

Die USA beteiligten sich mit vier unbemannten Mini-U-Booten der US-Marine und einem Nasa-Suchflugzeug an dem Großeinsatz. Auch der Ölkonzern Total, der in einem Meeresgebiet weiter südlich Öl fördert, stellte ein Schiff für die Suche zur Verfügung, die durch Sturm und bis zu sieben Meter hohe Wellen erschwert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2017)

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