Afghanistan vor der Burka: Ein Bild als Symbol

Drei junge Frauen in Kabul Anfang der 1970er Jahre
Drei junge Frauen in Kabul Anfang der 1970er JahreLaurence Brun
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Drei moderne Frauen in Kabul: Die Aufnahme wird immer wieder in sozialen Medien herumgereicht - als Beweis dafür, dass es Frauen in Afghanistan früher besser ging. War das so? Gedanken zu einem Bild.

Regelmäßig geistert ein Bild durch die sozialen Medien, das den Usern vermeintlich vor Augen führt, dass früher alles besser war. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt eine Straßenszene in Kabul, es sind die frühen 1970er Jahre: Zu sehen sind drei junge, lachende Frauen, sie tragen modische Miniröcke und Blusen, offene Haare und Plateau-Schuhe. „Cabul 1970s, antes do Taleban“ ist auf manchen Kopien dieses Bildes auf Portugiesisch zu lesen: Kabul, vor den Taliban. Die Aufnahme erstaunt die Betrachter, denn es steht diametral jenem Bild entgegen, das vor allem im vergangenen Jahrzehnt vorherrschte: Das Land galt als Synonym für die radikalislamischen Taliban und deren Frauenbild. Das waren Burkas und brutale Bestrafungen, das war die Unfreiheit in Reinform.

Doch was hat es mit diesem Bild auf sich, das sogar Einfluss auf die Afghanistan-Politik von US-Präsident Donald Trump hatte? Oft fehlt die Quellenangabe zu dieser Aufnahme, dann wiederum heißt es, die Britin Harriet Logan habe die jungen Frauen fotografiert. Logan hat tatsächlich afghanische Frauen porträtiert, allerdings erst ab den 1990er Jahren. Als Urheberin kommt eher die Französin Laurence Brun in Frage. Ihre Momentaufnahmen aus Afghanistan aus dem Jahr 1972 hat die Bibliothèque nationale de France in Paris archiviert. Über die Bildagentur Rapho dürfte das Bild in einem portugiesischsprachigen Magazin gelandet sein.

Im schnelllebigen Kontext der sozialen Medien ist das Narrativ des Bildes eindeutig: Früher waren die Frauen frei, heute werden sie im Islam unterdrückt, und auch nach dem Fall der Taliban liegen die Frauenrechte brach. Allerdings stellt sich hier die Frage, wie repräsentativ diese Aufnahme war, es zeigt schließlich eine urbane Szene, nicht den ländlichen Raum. Dort haben traditionell geprägte Frauen sehr wohl die Burka getragen/tragen müssen, wie Bilder aus den 1960er Jahren zeigen.

Trump und das Bild mit den drei Frauen

Zumindest theoretisch haben sich die Frauenrechte in der Zeit des Schahs Mohammed Zahir ab 1933 sukzessive verbessert, so wurde beispielsweise das Frauenwahlrecht eingeführt. Als das Bild entstand, war der Schah noch an der Macht, aber nur ein Jahr später stürzte Mohammed Daoud Khan die Monarchie und rief die Republik aus. Diese hatte nicht lange Bestand. 1979 marschierte die Sowjetunion ein, der Stellvertreterkrieg zwischen Moskau und anderen Staaten wie den USA und Saudiarabien dauerte ein Jahrzehnt lang und zermürbte das Land. Für die Rechte der Frauen bedeutete dies einen herben Rückschlag.

Ab Mitte der 1990er Jahre konnten die Taliban ihren Machtbereich erweitern. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 und dem Einmarsch der USA stellt sich für Washington bis heute die Frage, wie mit den Truppen am Hindukusch vorzugehen ist. Während seines Wahlkampfes hat Donald Trump immer wieder den Abzug der US-Soldaten verlangt, allerdings hat er seine Meinung vergangenen Sommer plötzlich geändert. Der Nationale Sicherheitsberater H. R. McMaster soll Trump das Bild der drei Frauen gezeigt haben, um diesen zu überzeugen: „Westliche Werte“ hätten in Afghanistan existiert, also könne man diese in die Region zurückbringen, habe McMaster argumentiert.

Bissige Kommentatoren schrieben daraufhin, dass Trump nur mit Miniröcken überzeugt werden könne, während andere darauf hinwiesen, dass die Analyse von historischen Bildern sehr wohl üblich sei. Fest steht jedenfalls: Die Taliban haben in den vergangenen Jahren immer mehr Gebiete zurückerobert, sie kontrollieren mittlerweile etwa 15 Prozent der Landesfläche, schreibt die für Afghanistan zuständige US-Behörde SIGAR. Sowohl die USA, als auch Deutschland wollen ihre Truppen am Hindukusch aufstocken.

Der gefährlichste Ort

Es sieht nicht nach einem schnellen Frieden aus, und für die Frauen bleibt die Lage weiterhin höchst schwierig. Einer Studie der Thompson Reuters Foundation zufolge war Afghanistan im Jahr 2011 der gefährlichste Ort der Welt, an dem eine Frau leben könnte. Arg viel hat sich seither nicht verändert, zumal sich die Taliban wieder im Aufwind befinden. Gleichzeitig hat sich eine neue Generation von Aktivistinnen gebildet, die offensiv gegen die Benachteiligung von Frauen kämpfen. Roya Mahboob ist eine dieser Frauen, darüber hinaus gibt es seit Kurzem mit ZAN TV einen Sender, der von Frauen für Frauen gemacht wird. Hier werden unter anderem Themen wie Gewalt gegen Frauen und Mädchen behandelt.

Im Vergleich zur Taliban-Herrschaft zeigt das viel „zitierte“ Schwarz-Weiß-Bild natürlich eine andere Welt, aber auch diese frühere Welt war patriarchalisch geprägt. Hatten die Frauen damals die gleichen Berufschancen, den gleichen Gehaltszettel wie die Männer, genau so viel öffentliche Präsenz, gab es weniger Gewalt gegen Frauen? Das alles beantwortet dieses Bild nämlich nicht. Im „Guardian“ schreibt die Journalistin Rossalyn Warren, dass diese Aufnahme oft auf rechtsgerichteten Seiten herumgereicht wird, als Erklärung dafür, wie die Frauen im Islam unterdrückt werden und als Warnung dafür, dass die Flüchtlinge das heutige Europa in ein weiteres Afghanistan umwandeln könnten. Wie auch immer: Schnell lässt sich sehr viel in ein Bild wie dieses hineininterpretieren.

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