Chinas Rekord-Brücke von Hongkong nach Macau

Die Superbrücke: Das 14 Milliarden Euro teure Bauprojekt verbindet Hongkong mit Macao und dem chinesischen Festland.
Die Superbrücke: Das 14 Milliarden Euro teure Bauprojekt verbindet Hongkong mit Macao und dem chinesischen Festland.APA/AFP/ANTHONY WALLACE
  • Drucken

Keine Stahlbrücke ist länger, kein Unterwassertunnel tiefer – die Hongkong-Zhuhai-Macao-Brücke über das Perlflussdelta bricht Rekorde. Der Nutzen dürfte jedoch begrenzt bleiben.

Peking. Hohe Berge, noch höhere Wolkenkratzer, das Wasser des Perlflussdeltas und alles dicht beieinander – die Landeanflüge auf die Flughäfen von Hongkong und Macao galten schon immer als spektakulär. Nun ist die Region aus der Luft gesehen um eine weitere Sehenswürdigkeit reicher.

In der Form eines Ypsilons überspannt nun eine gigantische Stahlbrücke das Flussdelta am Südchinesischen Meer und verbindet die Finanzmetropole Hongkong mit der Glücksspielstadt Macao und der Industrieregion Zhuhai auf dem chinesischen Festland. Es handelt sich um die Hongkong-Zhuhai-Macao-Brücke, die nach einer Bauzeit von knapp zehn Jahren am Dienstag offiziell eröffnet wird. Bei der Eröffnungszeremonie wird Chinas Staatspräsident, Xi Jinping, persönlich anwesend sein.

Die gesamte Konstruktion ist ungefähr so lang wie der Gotthard-Basistunnel, nämlich 55 Kilometer. Davon führen 35 Kilometer als Brücke über Wasser. Sie ist damit mehr als 20-mal so lang wie die Golden Gate Bridge in San Francisco. Für den Bau waren nach Angaben der Betreiber 400.000 Tonnen Stahl notwendig. Das entspricht der sechzigfachen Stahlmenge des Eiffelturms in Paris. „Über hundert Jahre lang wird sie stehen“, schreiben die Betreiber auf ihrer Website. In jede Richtung gibt es drei Fahrspuren. Bei einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 100km/h soll sich die Fahrzeit zwischen Hongkong und Macao von drei Stunden auf der Fähre auf weniger als 30 Minuten mit dem Auto reduzieren.

Genau genommen handelt es sich bei dem Bauwerk um mehrere Brücken. Denn unterbrochen wird die Konstruktion über Wasser durch zwei künstliche Inseln und einen langen Tunnel. Auf Hongkonger Seite führt die Brücke zunächst durch eine Meerenge am Hongkonger Flughafen vorbei auf eine aufgeschüttete Insel, die rund 150 Hektar groß ist. Auf ihr sollen künftig die Grenzübergangsanlagen stehen.

Hongkong ist seit 1997 zwar keine britische Kronkolonie mehr und Macao seit 1999 auch nicht mehr in portugiesischer Hand. Sie gehören beide zur Volksrepublik China, haben jedoch weiterhin den Status von Sonderverwaltungszonen mit eigenen Gesetzen und einer eigenständigen Verwaltung. Zwischen Hongkong, Macao und dem chinesischen Festland gibt es noch immer scharfe Grenzkontrollen. Auf westlicher Seite der Brücke – in unmittelbarer Nähe von Macao und Zhuhai – haben die Konstrukteure daher eine weitere künstliche Insel für Grenzübergangsanlagen aufschütten lassen.

Der Großteil der eigentlichen Verbindung über den Perlfluss besteht aus Stelzenbrücken, die hauptsächlich an Land vorgefertigt und dann in den Meeresgrund gerammt wurden. Das Bauwerk gilt als ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Es ist erdbebensicher und muss auch Tropenstürmen standhalten. Die Ingenieure rechneten auch mit menschengemachten Risken. So soll das Bauwerk Kollisionen mit bis zu 300.000 Tonnen schweren Schiffen aushalten. Denn die Region um das Perlflussdelta gilt als „Werkbank der Welt“. Umgeben von zahlreichen Millionenstädten produzieren Hunderttausende Firmen in der Region für den Weltmarkt. Entsprechend dicht ist der Schiffsverkehr. Mit Hongkong, Shenzhen und Guangzhou befinden sich in der Region gleich drei der weltweit größten Häfen. Mit geschätzten Kosten von umgerechnet mehr als 14 Milliarden Euro ist das Projekt deutlich teurer als geplant.

Von Links- auf Rechtsverkehr

Das Jahrhundertbauwerk hat allerdings ein Problem. In Hongkong und Macao gilt Linksverkehr, auf dem chinesischen Festland Rechtsverkehr. Die meisten Fahrer aus Hongkong oder Macao dürfen nicht ohne Weiteres auf den Straßen des chinesischen Festlands fahren und umgekehrt. Zwar wohnen im Perlflussdelta rund 60 Millionen Menschen, also etwa so viele wie in Italien. Aber davon besitzen momentan gerade einmal rund 30.000 Pkw-Besitzer eine Genehmigung, in Hongkong wie auch auf dem rechtsspurigen Festland zu fahren. Zu einem Massenansturm auf die Brücke wird es vorerst also nicht kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.