Tödliche Attacke in Frankfurt: Verdächtiger war auf Flucht vor Schweizer Polizei

Der Tatort am Frankfurter Hauptbahnhof
Der Tatort am Frankfurter HauptbahnhofREUTERS
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Nach dem Mann, der am Frankfurter Bahnhof einen Buben vor einen einfahrenden Zug gestoßen hat, war in der Schweiz wegen eines anderen Vorfalls bereits gefahndet worden.

Nach der tödlichen Attacke am Frankfurter Hauptbahnhof hat die Staatsanwaltschaft weitere Details über den mutmaßlichen Täter bekannt gegeben: Der 40-jährige Eritreer werde wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs noch am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen in Frankfurt. Der Mann sei verheiratet und habe selbst drei Kinder.

Der Mann wurde seit vergangenem Donnerstag von der Schweizer Polizei gesucht. Er habe seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, gewürgt und eingesperrt und sei dann geflohen. Daraufhin sei er in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen, gaben die deutschen Behörden am Dienstagnachmittag bekannt.

"Er soll seit 2006 in der Schweiz leben, er soll verheiratet sein und Vater von drei Kindern sein", sagte eine Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft am Dienstag. "Er hat angegeben, er sei vor wenigen Tagen von Basel mit dem Zug nach Frankfurt gefahren." In Deutschland sei er bisher nicht polizeibekannt gewesen.

Der Beschuldigte schweige bisher zu der Tat in Frankfurt. Täter und Opfer hätten sich nicht gekannt. Ein Test habe zudem ergeben, dass der Mann keinen Alkohol getrunken habe. Es gebe auch keine Hinweise auf Drogen. Ihm wird vorgeworfen, am Montag erst die Mutter und dann deren achtjährigen Sohn im Bahnhof vor einen einfahrenden ICE gestoßen zu haben. Während die Mutter sich noch retten konnte, wurde das Kind überrollt und getötet. Zudem habe der Mann versucht, eine 78-Jährige auf die Gleise zu stoßen. Die Frau habe sich jedoch wehren können. Sie wurde laut Staatsanwaltschaft dabei an der Schulter verletzt und erlitt einen Schock. Der mutmaßliche Täter flüchtete und wurde von Passanten gestellt. Darunter sei auch ein Polizist gewesen, der zu der Zeit nicht im Dienst gewesen sei, sagte Niesen.

Wie die Schweizer Polizei am Dienstag mitteilte, war der Verdächtige im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Eine Niederlassungsbewilligung wird Ausländern in der Schweiz nach einem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren im Land ausgestellt. Niedergelassene haben damit laut dem Staatssekretariat für Migration ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht.

Seehofer fordert mehr Sicherheit - auch wenn es teuer wird

Der Frankfurter Fall hat zu einer Sicherheitsdebatte auf Bahnhöfen geführt. Als Reaktion will der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Sicherheit an Bahnhöfen verbessern. Mögliche Maßnahmen seien mehr Polizeipräsenz, eine stärkere Überwachung durch Videokameras und Umbauten, sagte er am Dienstag in Berlin.

Am Geld sollten solche Maßnahmen nicht scheitern. Es sei "kein Argument" zu sagen: "Das kostet Millionen und deshalb machen wir das nicht." Es gehe hier um die Sicherheit der Bevölkerung. Seehofer kündigte ein Spitzengespräch mit dem Verkehrsminister und Vertretern der Deutschen Bahn an, um über solche Maßnahmen zu beraten. Auf Nachfrage wollte er nicht ausschließen, über das Anbringen von Schranken vor Bahnsteigen zu diskutieren - trotz der hohen Kosten. "Wenn es um Menschenleben geht, gefällt mir das Argument mit dem Geld überhaupt nicht", sagte er.

Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Nach dieser furchtbaren Straftat braucht es jetzt rasche und spürbare Konsequenzen für den Täter. Zusätzlich zum Strafverfahren sollten auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen diskutiert werden. Darüber hinaus bin ich offen für eine Diskussion über bessere Sicherheitsvorkehrungen an unseren Bahnhöfen."

Der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert bemängelte in der "Bild"-Zeitung (Dienstag) eine unzureichende Aufsicht an den Bahnsteigen, außerdem fehle es an den Bahnhöfen an Bundespolizisten. Aus Sicht der Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Anke Rehlinger (SPD), sind Taten wie in Frankfurt durch Sicherheitsmaßnahmen allerdings nicht zu verhindern. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) sagte die saarländische Verkehrsministerin: "Eine solche Tat offenbart keine Sicherheitslücke, sondern eine Menschlichkeitslücke."

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte unterdessen vor Nachahmungstätern. Aus Großstädten wie Berlin seien Fälle sogenannter S- und U-Bahn-Schubser schon länger bekannt. "Die Polizei versucht sich nach jedem Fall präventiv besser einzustellen. Bei Taten, die vorsätzlich geschehen, stößt sie jedoch an ihre Grenzen", sagte Radek dem RND. Angesichts von 5600 Bahnhöfen und Haltestellen in Deutschland dürfe nicht mit schnellen Lösungen gerechnet werden. "Die sind alle so unterschiedlich strukturiert, dass es schwer sein dürfte, ein Konzept für alle zu entwickeln." Forderungen nach mehr Personal bezeichnete der GdP-Vize als unseriös.

Ähnlicher Vorfall vor einer Woche

Erst am Samstag voriger Woche war im Bahnhof der Stadt Voerde in Nordrhein-Westfalen eine 34 Jahre alte Mutter vor einen Regionalzug gestoßen worden und ums Leben gekommen. Der 28-jährige Tatverdächtige - ein in Deutschland geborener Serbe - sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Täter und das Opfer kannten sich den Ermittlern zufolge ebenso wie im Frankfurter Fall nicht.

(Reuters/DPA)

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