Auch die Volksschule braucht ausgebildete Sportlehrer

Auch Volksschule braucht ausgebildete
Auch Volksschule braucht ausgebildete(c) FABRY Clemens
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Von sinnvollem Turnunterricht könne keine Rede sein, kritisieren Sportexperten. Der Einsatz von universitär ausgebildeten Sportlehrern in den Volksschulen wäre „ideal, aber teilweise unrealistisch“, so Amesberger.

Wien. Durch die Medaillenflaute bei den Olympischen Spielen in London wurde eine breite Diskussion über den heimischen Turnunterricht losgetreten. Erste Quintessenz dieser: Es braucht mehr Turnstunden. Nun werden jedoch erstmals Stimmen laut, die sich weniger um die Quantität – sondern mehr um die Qualität des Turnunterrichts Sorgen machen.

Die Vorwürfe sind dabei teils heftig: „Von sinnvollem Sportunterricht kann keine Rede sein“, außerdem werde dieser oftmals „dem Zufall überlassen“, sagt etwa Otmar Weiß vom Zentrum für Sportwissenschaft an der Universität Wien im Gespräch mit der „Presse“. Die Sorge um die Qualität scheint nicht unbegründet zu sein. Denn betrachtet man die Zahlen, zeigt sich, dass Österreichs Schüler im Vergleich zu Schülern in anderen Ländern – trotz Stundenkürzungen im Jahr 2003 – gar nicht so wenig Schulsport betreiben. Laut der erst kürzlich veröffentlichten OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ werden bei den Neun- bis Elfjährigen in Österreich zehn Prozent der Pflichtstunden für Sport genutzt. Der OECD-Durchschnitt liegt bei neun Prozent. Der sportlichen Ausbildung der Lehrer wird in diesem Altersbereich hingegen nur wenig Beachtung geschenkt. Während es in Volksschulen für einzelne Fächer wie Werken oder Religion eigens ausgebildete Lehrer gibt, wird das im Bereich Sport für nicht notwendig erachtet. Volksschullehrer erhalten lediglich eine kurze Basisausbildung für den Turnunterricht.

Der „Kennerblick“ fehlt

Ein schwerer Fehler, sagt Weiß. In diesem Alter befinden sich die Kinder im „goldenen motorischen Lernalter“. Hier könnte ein Grundstein für die motorische Entwicklung der Schüler gelegt werden. Ausgebildete Sportlehrer wüssten, welche Bewegungsabläufe trainiert werden sollten, welche Sportarten in welchem Alter ausgeübt werden können und welche Gefahren im Turnsaal lauern. „Den Kennerblick hat nur jemand, der eine pädagogische und methodische Ausbildung hat“, sagt Weiß. Es sei anspruchsvoll, den Turnunterricht optimal zu gestalten. Es brauche nicht nur ein breites Angebot an verschiedenen Sportarten und Bewegungsabläufen. Sondern auch abwechslungsreiche Übungen, die sowohl auf Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit als auch Koordination abzielten.

Seine Forderung: Bereits in der Volksschule – im Idealfall schon im Kindergarten – sollten nur Lehrer eingesetzt werden, die eine universitäre Ausbildung in diesem Bereich genossen haben. Prinzipiell kann dem auch Günter Amesberger, Sportwissenschaftler an der Uni Salzburg, etwas abgewinnen. Der Einsatz von universitär ausgebildeten Sportlehrern in den Volksschulen wäre „zwar ideal, aber teilweise unrealistisch“, so Amesberger.

Zweifel an täglicher Turnstunde

Kritik üben die beiden Sportwissenschaftler auch an der Unterschriftenaktion zur täglichen Turnstunde. Anfang September wurde diese von der Bundes-Sportorganisation (BSO) gestartet. Seither wurden bereits 61.139 Unterschriften gesammelt (Stand: Freitag). Amesberger hält die Aktion bloß für eine „politische Willensäußerung“. Weiß bezeichnet sie als eine „populistische Forderung“, die ohnehin nicht umsetzbar sei. Sein Vorschlag: Wöchentlich sollte es drei Turnstunden geben.

BSO-Präsident Peter Wittmann zeigt sich verärgert. Die Forderung sei sehr wohl umsetzbar. Das Argument, dass es zu wenige Turnsäle gebe, sei nicht nicht haltbar. Es brauche lediglich ein besseres Management in diesem Bereich. Außerdem müsse nicht jede Sportstunde im Turnsaal stattfinden. Genutzt werden sollten auch Eislaufplätze, Hallenbäder, Fitnessparcours und Fußballplätze.

Auch in puncto Lehrermangel hält Wittmann dagegen. Es gebe genügend Sporttrainer, die gelte es auch in der Schule einzusetzen. Und zwar nachdem sie entsprechende Pädagogikkurse absolviert hätten. Mit der Ausbildung zum akademischen Freizeitpädagogen sei man auf dem richtigen Weg. Obwohl dieser von Sporttrainern bislang nur wenig genützt wird. Ändern könnte sich das, wenn den Trainern ihre Ausbildung in höherem Maß angerechnet wird, fordert Wittmann. Hier sei die Initiative von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) gefragt.

Auf einen Blick

Die Unterschriftenaktion zur täglichen Turnstunde startete Anfang September (www.turnstunde.at). Seither sammelte die Bundes-Sportorganisation bereits 61.139 Unterschriften. Kritiker halten die tägliche Sportstunde für eine unrealistische Forderung. Es gebe sowohl zu wenige Turnsäle als auch einen Mangel an Lehrern. Augenmerk solle vor allem auf die Qualität des Turnunterrichts gelegt werden. Schon in der Volksschule brauche es universitär ausgebildete Lehrer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2012)

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