Lehrer: 400 Studenten als Lückenfüller

Lehrer Studenten Lueckenfueller
Lehrer Studenten Lueckenfueller c Clemens Fabry
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Um den Unterricht an den Wiener Schulen aufrechtzuerhalten, werden immer mehr Studenten eingesetzt. Lehramtsstudenten werden in mehrtägigen "Crashkursen" auf ihren Einsatz in der Klasse vorbereitet.

Wien. Der Lehrermangel schlägt in Wiens Schulen nun endgültig kräftig zu. Am Schulbeginn im September war noch die Rede davon, dass rund 150 Lehramtsstudenten im Regelunterricht eingesetzt werden müssen, um keine Unterrichtseinheit ausfallen lassen zu müssen. Nun sind es 400 Planstellen, die an Wiener Schulen durch Studierende besetzt werden, die ihr Lehramtsstudium (noch) nicht abgeschlossen haben.

Dies geht aus einer aktuellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SP) hervor. Besonders viele Studenten werden in den Wiener Volksschulen eingesetzt. Um genau zu sein, gehen in der Hauptstadt 189 Planstellen an Studierende. An den Hauptschulen sind es 73, an Sonderschulen 52 und an polytechnischen Schulen sechs. Auch in den höheren Schulen werden Lehrkräfte eingesetzt, die ihr Studium noch nicht abgeschlossen haben. An den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) werden 48 Stellen durch Studierende besetzt. An den berufsbildenden höheren Schulen sind es 26 Stellen.

Rechtlich gesehen ist der Einsatz von Studenten kein Problem. Sie erhalten einen sogenannten Sondervertrag, der auf ein Jahr befristet ist und immer wieder verlängert werden kann. Theoretisch könnten Studenten jahrelang unterrichten, ohne das Studium abzuschließen.

Zwei Haken gibt es dabei: Erstens verdienen die Sondervertragslehrer deutlich weniger – die Differenz liegt bei 500 bis 600 Euro brutto im Monat. Und zweitens verlieren sie automatisch ihren Job, sobald genügend geprüfte Lehrkräfte vorhanden sind.

„Keine schlechte Planung“

Obwohl die Zahl der Lehramtsstudenten in den vergangenen Jahren gestiegen ist, war der Nachschub an Absolventen zu gering. Dass der Grund dafür eine schlechte Planung durch die politischen Verantwortlichen sei, will man seitens des Unterrichtsministeriums nicht auf sich sitzen lassen. Eine exakte Prognose des Lehrerbedarfs sei nicht möglich. Einer der Gründe dafür: Die Anzahl der künftigen Pensionierungen sei nur schwer abzuschätzen. Verschärfungen im Pensionsrecht würden eine genaue Kalkulation verhindern, so das Unterrichtsministerium.

Auch die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl sieht keine Schuld der Politik. „Auch wenn der Lehrermangel absehbar wäre, kann man nichts dagegen tun. Man hat ja keinen Einfluss darauf, wer Lehrer wird“, sagt Brandsteidl im Gespräch mit der „Presse“. Dass die Situation vor allem in Wien derart prekär ist, habe mit den Schülerzahlen zu tun. Wien sei als einziges Bundesland von steigenden Schülerzahlen in praktisch allen Schulbereichen betroffen.

Im kommenden Schuljahr soll sich die Situation entspannen. Die Zahl der Pensionierungen soll zumindest vorübergehend zurückgehen. Erst nach 2017 sei wieder eine große Pensionierungswelle an den Wiener Schulen zu erwarten, heißt es in der Anfragebeantwortung. Unterrichtsministerin Schmied versucht angesichts der alarmierenden Zahlen zu beruhigen: Bisher sei keine Unterrichtseinheit aufgrund Lehrermangels entfallen.

Qualität in Gefahr?

Der Einsatz der Studenten wird teilweise durchaus kritisch gesehen. Immerhin könnte die pädagogische Qualität durch die nicht abgeschlossene Ausbildung leiden.Im Wiener Stadtschulrat beteuerte man stets, dass in den Schulen nur Studenten eingesetzt werden, die ohnehin kurz vor Abschluss ihres Lehramtsstudiums stehen. In der Praxis sieht das anders aus. Zurückgegriffen wird auch auf Studenten, die von einem Studienabschluss noch weit entfernt sind.

Der Stadtschulrat versucht die Studenten in einem „Crashkurs“ auf den Schulalltag vorzubereiten. In dieser mehrtägigen Dienstbesprechung werden Studierenden nicht nur rechtliche Grundlagen vermittelt, sondern auch Regelungen zu Aufsichtspflicht und Leistungsfeststellung erläutert.

Auf einen Blick

Der Lehrermangel zwingt den Wiener Stadtschulrat, vermehrt Studenten an Schulen einzusetzen. Derzeit sind 400 Planstellen durch Studierende besetzt. Besonders viele sind es in Volksschulen und zwar 189. An den Hauptschulen sind es 73, an den Sonderschulen 52 und an den polytechnischen Schulen sechs. An der AHS werden 48 Stellen von Studierenden besetzt, an der BHS 26.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2012)

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