Deutsch lernen: "So viel wie möglich im Kindergarten"

Deutsch lernen viel moeglich
Deutsch lernen viel moeglich(c) AP (JOERG SARBACH)
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Ex-ÖVP-Landesrat Siegi Stemer arbeitet jetzt für Ministerin Schmied (SPÖ). Er will in Schulen die „Projektitis“ zurückdrängen.

(c) ÖVP Vorarlberg

Die Presse: Sie sind langgedienter ÖVP-Politiker und nun der neue Mann von SPÖ-Ministerin Claudia Schmied für die Sprachförderung. Ein bisschen wirkt es wie ein strategischer Schachzug, Sie ins Boot zu holen. Ist es das?

Siegi Stemer: Dass manche hier Mutmaßungen anstellen, ist wohl normal. Ich bin aber kein Politiker mehr. Mir ist die Sache wichtig. Und ich denke, so sieht das auch die Ministerin.


Bis März soll das Maßnahmenpapier für die Sprachförderung fertig sein. Die Ministerin will ein seriöses Gesamtkonzept. Geht sich das aus?

Ein ganzheitliches Konzept lässt sich natürlich nicht in dieser kurzen Zeit realisieren. Die Ministerin wird aber bis März konkrete Vorstellungen einbringen. Diese werden ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Mosaikstein für das Gesamtkonzept sein.


Auch Schmied kann sich nun vorstellen, dass Schüler mit schlechtem Deutsch in der Vorschule gefördert werden. Was halten Sie davon?

Die Auffassungen – auch zwischen Schmied und (ÖVP-Integrationsstaatssekretär Sebastian, Anm.) Kurz – sind gar nicht so weit auseinander. Klar ist eines: Wir müssen so früh wie möglich ansetzen, um die Grundlagen für eine gute Bildungssprache Deutsch zu legen.


Ist ein Vorschuljahr am sinnvollsten? Es gibt ja auch Kritik – etwa, dass das Herauspicken diskriminierend sei.

Es muss möglich sein, sich mit unterschiedlichen Modellen zu nähern. Zwischen Stadt und Land, großen und kleinen Schulen, sogar von Jahr zu Jahr variieren die Schülergruppen. Es kann je nach Standort nötig sein, die Kinder vorübergehend in eigene Gruppen zu geben, damit sie die Grundlagen der deutschen Sprache lernen. Wenn entsprechende Fortschritte da sind, müssen sie aber möglichst rasch in die normale Klasse kommen. An sich bin ich allerdings dafür, dass man so viel wie möglich schon im Kindergarten macht.

Auf die Bedeutung des Kindergartens scheinen sich alle einigen zu können.

Ja. Und mit Recht: Alle – von Hirnforschern bis zu Lernpsychologen – sind sich einig, dass die frühen Jahre für das Erlernen der Sprache und die Vermittlung von Sprachkompetenz zentral sind. Die Kinder haben ab dem dritten Lebensjahr ihre Lernfenster meilenweit offen. Und es ist daher auch gut, dass vermehrt politisch diskutiert wird, ob ein zweites Kindergartenjahr mit Fokus auf die Sprachförderung nicht ein guter Weg wäre.


Nur: Die Rahmenbedingungen schafft man bisher nicht. Für Sprachförderung gibt es vom Bund pro Jahr fünf Millionen Euro – für 200.000 Kinder.


Man muss sagen: Es ist wirklich toll, was im Kindergarten bereits jetzt geleistet wird. Wenn es einen Schulterschluss gibt, dass auf die frühe Bildung mehr Wert gelegt werden soll, muss man aber natürlich die Kindergartenerhalter in die Lage bringen, diese Aufgabe auch zu erfüllen. Und die entsprechenden Mittel in die Hand nehmen. Man darf das nicht einfach auf den Schultern der Gemeinden abladen.


Sie werden sich auch mit der Volksschule befassen. Was ist da nötig?

Regelmäßige Bewegung und gute Ernährung sind zwei ganz wichtige Themen. Und wir müssen die Projektitis ein bisschen zurückdrängen – und uns stattdessen etwas mehr auf die Grundfertigkeiten konzentrieren: Lesen, Schreiben, Rechnen, Zuhören.


Nochmals zu Ihnen: Erst vor zwei Monaten sind Sie nach einer Schwarzgeld-Affäre als Landesrat in Vorarlberg zurückgetreten – nun übernehmen Sie eine Aufgabe auf Bundesebene. Das sehen nicht alle positiv.

Ich habe ein gutes Gewissen. Der Vorfall war kein großer – es war eine Handkassa, deren Existenz man mir vorenthalten hat –, und ich habe die Verantwortung übernommen. Auch für die Gutmütigkeit meinen Mitarbeitern gegenüber. Und ich blicke nicht zurück, sondern nach vorne.

Zur Person

Siegi Stemer (62) trat im Vorjahr wegen einer Schwarzgeldaffäre im Umfeld der Sportservice Vorarlberg GmbH als Sport- und Schullandesrat in Vorarlberg (ÖVP) zurück. Er war zuvor 15 Jahre lang Landesrat gewesen, seit dem Jahr 2000 für den gesamten Bildungsbereich. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) holt ihn nun als Berater für den Bereich Früh- und Sprachförderung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. 1. 2013)

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