Migranten sollen Dialekt-Nachhilfe erhalten

(c) Clemens Fabry
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Von Migranten wird erwartet, dass sie Dialekte verstehen und sprechen können, deshalb soll auch das in der Schule gelernt werden. Das fordert Österreichs einzige Professorin für Deutsch als Zweitsprache.

Wien. Den Vorarlberger oder Tiroler Dialekt zu verstehen, fällt häufig sogar den Ostösterreichern schwer. Was für sie eine Herausforderung ist, kann für Migranten, die versuchen, die deutsche Sprache zu erlernen, ein regelrechter Stolperstein werden. In der Diskussion um die Sprachförderung wird dieser Aspekt dennoch zumeist vergessen.

Dabei sollten die Migranten nicht nur Deutschförderung, sondern auch Dialektförderung erhalten, wünscht sich Österreichs einzige Professorin für Deutsch als Zweitsprache. Denn genauso, wie man ohne gute Deutschkenntnisse nicht vorankommen wird, so wird man es auch ohne Dialekt nicht schaffen. „Es wird erwartet, Dialekt zu sprechen“, sagt İnci Dirim von der Uni Wien.

In weiten Teilen des Landes sind die Migranten außerhalb des Deutschunterrichts weniger mit der Standardsprache als vielmehr mit diversen Dialektformen konfrontiert. Nicht nur ihr Umfeld – also ihre Mitschüler – spricht meist ausschließlich Dialekt. Auch viele Lehrer sprechen im Unterricht überwiegend Umgangssprache.

Dialekt akzeptieren und fördern

„Der Dialekt gehört hier einfach dazu“, so Dirim. Ein Umstand, der es für Migranten schwierig macht, die deutsche Sprache schnell und gut zu erlernen. „Der Dialekt spielt beim Erwerb der deutschen Sprache eine große Rolle“, sagt die Expertin.

Als Vorbild könnte die Schweiz dienen. Dort wird Dialekt nicht nur akzeptiert, sondern sogar gezielt gefördert. Migranten lernen in der Schule neben der Standardsprache auch Dialekt. Wie schwierig das sein kann, zeigt der Blick in die Praxis: Nicht nur die Wörter unterscheiden sich zwischen der Standardsprache und dem Dialekt oft stark, sondern auch viele grammatikalische Regeln. Für Verwirrung sorgen etwa die Artikel: Subjekte haben in der Standardsprache häufig andere Artikel als im Dialekt. Für Migranten, die nicht in Österreich aufgewachsen sind, kommt noch eine Erschwernis hinzu: Ihnen fällt es oft schwer, zwischen der Standardsprache und dem Dialekt zu unterscheiden.

Personal- und Forschungsmangel

Auch hier können die Lehrer nicht aus der Verantwortung genommen werden: Es komme vor allem auf ihren Umgang mit der Sprache an, sagt Dirim. Soll heißen: Lehrer sollten sowohl die Standardsprache als auch den Dialekt „gezielt einsetzen“. In formellen Situationen soll darauf geachtet werden, „nach der Schrift“ zu sprechen. In informellen und lockeren Situationen sei hingegen der Dialekt angebracht. Migranten müsse ein Gefühl für die Verwendung der Sprache vermittelt werden.

Die von Dirim gewünschte Dialektförderung bleibt wohl noch lange ein frommer Wunsch. Denn derzeit steht selbst für den Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ nur eine verschwindend kleine Zahl an fachlich qualifizierten Lehrkräften zur Verfügung. Zumeist werden die Deutschförderkurse von Lehrkräften abgehalten, die über keine einschlägige Ausbildung verfügen.

Knapp 50 Experten haben deshalb ein Schreiben aufgesetzt und dieses an das Unterrichts- sowie an das Wissenschaftsministerium und alle ausbildenden Institutionen in diesem Bereich geschickt. Die Experten fordern zusätzliche Professuren im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Vor allem an den Pädagogischen Hochschulen müsse diesem Thema noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Außerdem soll die Forschungsaktivität verstärkt werden. Deutsch als Zweitsprache soll darüber hinaus ein Pflichtfach in der neuen Lehrerausbildung werden. Auch Kindergartenpädagoginnen sollen geschult werden, so die Forderung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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