Gesamtschule: "Hätte gerne eine öffentliche Diskussion"

Gewerkschafter will Befragung ueber
Gewerkschafter will Befragung ueber(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

In den berufsbildenden Schulen seien viele Lehrer für die Gesamtschule, sagt Lehrervertreter Jürgen Rainer. Ein neues Dienstrecht hält er nicht unbedingt für nötig. Ein neues Besoldungsschema aber sehr wohl.

Die Presse: Würden Sie sich selbst als Optimist bezeichnen?
Jürgen Rainer: Ich bin absolut ein Optimist.

Sind Sie Optimist genug, um an einen Abschluss des neuen Lehrerdienstrechts noch in dieser Legislaturperiode zu glauben?
Ja. Ich kann dazu nur sagen: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.

Stimmt es Sie hoffnungsvoll, dass sich der Bundeskanzler höchstpersönlich in die Verhandlungen einschalten will?
Wenn sein Einschreiten dazu führt, dass die Regierung mehr Verhandlungswillen zeigt, dann ist das positiv. Es ist mittlerweile ein enormer medialer Druck aufgebaut worden, der die Regierung dazu zwingt, schneller zu agieren.

Der erhöhte Druck ist doch nachvollziehbar. Seit Jahren scheint nichts voranzugehen.
Es stellt sich die Frage, wozu wir überhaupt ein neues Dienstrecht brauchen. Was bezweckt man eigentlich damit?

Sind Sie also der Meinung, dass man überhaupt kein neues Dienstrecht braucht?
Ich bin mit dem derzeitigen Dienstrecht zufrieden. Wir brauchen lediglich eine Veränderung in der Besoldungsstruktur.

Zur Person

Jürgen Rainer (61) ist Vorsitzender der Lehrergewerkschaft an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Er ist Chef der prozentuell stärksten Fraktion, der konservativen Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG).

Was spricht gegen ein neues Dienstrecht?
Wir haben fünf verschiedene Lehrertypen – von der Volksschule bis zu den Kollegs. Ein gemeinsames Dienstrecht ist da nicht sinnvoll. Das wäre so, als würde ich bei fünf Ballsportarten – Fußball, Handball, Volleyball, Basketball und Tennis – versuchen, mit einer einzigen Spielregel auszukommen. Das geht eben nicht.

Was, wenn die Verhandlungen tatsächlich scheitern? Würden Sie das als Erfolg für die Lehrergewerkschaft sehen?
Wir haben momentan einen enormen Druck. Man versucht, innerhalb kürzester Zeit etwas aus dem Boden zu stampfen. Dementsprechend wird man nachträglich enorm viel Aufwand betreiben müssen, um Verträglichkeit herzustellen. Aus meiner Sicht wäre es überhaupt keine Schande, wenn man auf Grund der kommenden Wahlen die Verhandlungen zurücknimmt und erst danach ein ordentliches Konzept vorlegt.

Ab wann wäre es denn eine Schande?
Aus unserer Sicht gibt es keinen Zeitdruck. Ob der Gesetzesentwurf im Juni vorgelegt wird, oder ob das erst im November passiert, spielt für mich überhaupt keine Rolle.

Sie werfen der Ministerin vor, dass Sie das neue Dienstrecht dazu benützt, um andere bildungspolitische Reformen wie die Gesamtschule durchzubringen. Woran wollen Sie das erkennen?
Für mich ist hier eindeutig ein Zusammenhang erkennbar. Es wird über das Dienstrecht versucht, die Strukturen für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen zu schaffen. Wenn ich ein Dienstrecht habe, das nur noch eine Lehrerkategorie kennt, dann gebe ich den Weg für die gemeinsame Schule frei. Es sollte im Vorfeld abgeklärt werden, ob es eine gemeinsame Schule geben soll, oder eben nicht.

Könnte das durch eine Volksbefragung – wie das bereits der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gefordert hat – geklärt werden?
Ich begrüße Häupls Vorstoß. Ich glaube, dass sich dieses Thema sehr gut eignet, um einen Volksentscheid herbei zu führen.

Welches Ergebnis erwarten Sie sich denn davon?
Ich erwarte mir kein Ergebnis, sondern Klarheit.

Sie erwarten sich also keinen sicheren Sieg für die ÖVP und damit eine Absage an die Gesamtschule?
Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Da denke ich nicht in einer parteipolitischen Kategorie.

Ist es nicht Aufgabe der Regierung, solch grundlegende Fragen zu klären?
Es ist eine ideologische Debatte, die gesamtgesellschaftlich debattiert werden soll.

Was wünschen Sie sich denn? Eine Gesamtschule oder ein differenziertes Schulwesen?
Das will ich nicht vorgeben. Deshalb hätte ich ja gerne eine öffentliche Diskussion über das Pro und Contra.

Sie persönlich werden aber sicherlich eine klare Meinung haben.
Jeder hat hier eine Position. Aus Sicht der berufsbildenden Schulen haben wir natürlich ein Interesse, dass wir die bestmöglichen Schüler zu uns bekommen.

Was würden Sie ankreuzen, wenn es eine derartige Befragung geben würde?
Ich möchte mich nicht dazu äußern. Aber ich weiß, dass in unseren Lehrkörpern der Wunsch nach einer gemeinsamen Schule sehr weit verbreitet ist.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Gesamtschule: Lehrer für Volksentscheid

Die Lehrervertreter fordern eine Volksbefragung. Einer raschen Einigung beim neuen Lehrerdienstrecht erteilen sie eine Abfuhr. Die Regierung scheint beim Thema Gesamtschule zu keiner Lösung zu kommen.
Schule

Lehrerdienstrecht: Seit zwölf Jahren in der Warteschleife

Die größten Streitpunkte sind seit jeher Gehälter und Arbeitszeit. Derzeit liegt ein Papier der Regierung vor, das von der Gewerkschaft heftig kritisiert wird. Die Chronologie eines Scheiterns.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.