Deutschförderung: Lehrer für Migranten fehlen

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PK ´INTEGRATIONSBERICHT 2014´: KURZ(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Integrationsminister Sebastian Kurz fordert mehr Lehrer. Das will auch das Bildungsressort. Tatsächlich ist aber nicht nur die Finanzierung ungeklärt – es hakt auch bei der Qualifikation.

Wien. Österreich braucht mehr Lehrer für die Deutschförderung. Das hat Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag bei der Präsentation des aktuellen Integrationsberichtes gefordert. Nur so könne man die zentralen Forderungen des Expertenrats für Integration umsetzen – nämlich mehr Deutschförderung im Kindergarten, vor dem Schuleintritt bzw. Crashkurse für Quereinsteiger. Demnach brauchen jährlich insgesamt rund 34.000 Kinder eine solche Förderung, 14.000 davon in der Schule.

Auf eine konkrete Zahl zusätzlicher Lehrer will man sich aber nicht festlegen. Dass es mehr Lehrer braucht, bestreitet man auch im Bildungsressort nicht. Demnächst werde man mit Integrationsminister Sebastian Kurz besprechen, wie man mehr qualifizierte Lehrer für die Deutschförderung bekomme. Ein Problem wird wohl die Finanzierung werden: Derzeit finanziert das Bildungsressort – über den regulären Stellenplan hinaus – 440 Extraposten für Sprachförderung. Kostenpunkt: 25 Millionen Euro.

Doch das ist nur das eine Problem – das andere ist die Qualifikation. Schon im Vorjahr riefen Experten dringend zum Handeln auf: Viele der Lehrer, die die Deutschförderung bestreiten, hätten keine oder kaum eine einschlägige Qualifikation. Bei einer Ausweitung der Sprachförderung müsse auf Lehrer zurückgegriffen werden, die noch weniger ausgebildet sind. Geändert hat sich seitdem nicht viel, kritisiert Klaus-Börge Boeckmann, Professor für Deutsch als Zweitsprache an der Uni Wien.

„Man hat nur zögerlich reagiert“

Oft werden für die Sprachförderung schlicht die regulären Deutschlehrer eingesetzt – egal, ob sie eine spezielle Ausbildung für Deutsch als Zweitsprache absolviert haben oder nicht. Und es werde noch immer zu wenig getan, dass das in Zukunft eine Selbstverständlichkeit wäre. „Man hat sehr lange Zeit überhaupt nicht und dann nur sehr zögerlich auf diese neue Herausforderung reagiert – vonseiten der Aus- und der Fortbildung und auch vonseiten der Politik“, sagt Boeckmann. Zudem fehle das Bewusstsein. Oft herrsche hierzulande die Meinung vor: Wer Deutschlehrer ist, kann die Sprache auch jemandem beibringen.

Alle Lehrer fit für Migranten machen

Experten fordern aber nicht nur, dass jene Lehrer besser qualifiziert werden, die spezielle Förderkurse anbieten: Alle Lehrer – egal, welches Fach sie unterrichten – sollten fit für Migranten werden. „Die Lehrkräfte aller Fachrichtungen sollten in ihrer Ausbildung lernen, wie sie mit Kindern und Jugendlichen umgehen, die nicht gut Deutsch können. Das wäre absolut notwendig“, sagt Boeckmann. Die Idee dahinter: Jeder Fachlehrer ist auch Sprachlehrer.

In Deutschland gibt es einen Trend in diese Richtung: In Berlin und in Nordrhein-Westfalen sind Module für Deutsch als Zweitsprache inzwischen für alle angehenden Lehrer verpflichtend – egal, ob sie später Deutsch, Mathematik oder Turnen unterrichten. Andere Bundesländer haben nachgezogen.

Obwohl in Österreich für die neue Lehrerausbildung die Lehrpläne reformiert wurden bzw. derzeit werden, ist dieser Gedanke noch nicht angekommen. „Es ist nicht geglückt, dieses Thema so zu verankern, wie wir es uns gewünscht hätten“, sagt Eva Vetter, die stellvertretende Leiterin des Zentrums für Lehrerbildung an der Uni Wien.

Im Büro der Bildungsministerin hat man vorerst nicht vor, mehr Druck auszuüben. Man habe in Aus- und Weiterbildung einiges angestoßen. Tatsächlich gibt es erste Ansätze. So gibt es an der Uni Wien erstmals ein (optionales) Seminar zu Deutsch als Zweitsprache für alle angehenden Lehrer. An der Uni Graz wird an einem eigenen Lehramtsstudium zu Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache gearbeitet – etwas, was etwa in Großbritannien bereits Usus ist.

Darüber, wie die Sprachförderung künftig konkret angelegt wird (Stichwort Crashkurse) wird noch diskutiert. Demnächst wollen die Minister Heinisch-Hosek und Kurz darüber sprechen, welche zusätzlichen Angebote es für Quereinsteiger geben soll.

AUF EINEN BLICK

Weitere Infos:www.diepresse.com/integrationMinister Sebastian Kurz fordert mehr Lehrer für Deutschförderunterricht. Pro Jahr brauchten 34.000 Kinder in Kindergärten und Schulen Sprachförderung. Derzeit stehen 440 zusätzliche Lehrerposten dafür zur Verfügung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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