Heinisch-Hosek: "Man kann nicht für alles gelobt werden"

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will mit dem neuen Finanzminister noch einmal über die Einsparungen im Bildungsbereich sprechen. Für Brennpunktschulen wünscht sie sich mehr Geld als für andere.

Die Presse: Sie haben bei Ihrem Antrittsinterview gesagt, dass Sie nicht damit rechnen, dass Sie nach fünf Jahren als Bildungsministerin noch eine Jubelfrau sind. Jetzt ist nicht einmal ein Jahr vergangen. Wie sehen Sie sich jetzt?

Gabriele Heinisch-Hosek: Auf die Bewertung in den Zeitungen möchte ich nicht eingehen. Für mich ist das Wichtigste, dass ich mit der Bevölkerung so viel Kontakt wie möglich habe. Im vergangenen halben Jahr – wenn nicht gerade Reparaturarbeiten angestanden sind – habe ich versucht, diesen zu pflegen. Dabei durfte ich mir viel an konstruktiver Kritik mitnehmen.

Haben Sie mit so viel Kritik gerechnet?

Es ist natürlich auch viel passiert. Ich musste Sparmaßnahmen setzen. Zwei Dinge sind mir klar geworden. Erstens: Man kann nicht für alles gelobt werden. Zweitens: Das Bildungssystem ist ein mehr als komplexes Gebilde. Die Bildungsministerin hat nicht die alleinige Verantwortung dafür – auch wenn sie immer dafür verantwortlich gemacht wird.

Apropos Einsparungen: Haben Sie die restlichen neun Millionen Euro, die sie bis Jahresende aufbringen müssen, gefunden?

Von den geforderten 87 Millionen Euro sind 78 Millionen Euro fix. Die restlichen neun Millionen Euro werden bis Jahresende da sein. In den Terminen mit dem Finanzministerium konnten wir schon darlegen, dass wir in den verschiedensten Bereichen weniger ausgegeben haben als veranschlagt.

Die Bund-Länder-Gruppe, die in Ihrem Auftrag Einsparungen in der Verwaltung finden soll, braucht es also nicht?

Deren Vorschläge sind dennoch wichtig. Sie beschäftigen sich mit den Sparvorgaben für 2015. Wobei ich dazu sagen muss: Das Budget ist zwar beschlossen, wie der neue Finanzminister das sieht, muss aber noch besprochen werden.

Sie wollen nachverhandeln?

Ich werde jedenfalls nachfragen. Das sei mir unbenommen.

Sehen Sie mit ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner größere Chancen, Ihren Wunsch nach einer Gesamtschule zu verwirklichen?

Ich habe mit ihm bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir haben uns in der Diskussion um die Frauenquote in Aufsichträten staatsnaher Unternehmen gefunden. Außerdem war er in den Verhandlungen mit dem Sozialminister, was Sachleistungen in der Kinderbetreuung anbelangt, schon weit. Und er zeigte sich dem Papamonat gegenüber aufgeschlossen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Was heißt das für die Bildung?

Wenn es hier auch so weitergeht, dann bin ich optimistisch.

In den Koalitionsverhandlungen gab es ja bereits eine Zwischenlösung zur Gesamtschule: Zehn- bis Zwölfjährige sollten nicht in AHS und NMS getrennt, sondern gemeinsam unterrichtet werden. Ist das noch eine Option?

Wieder darüber zu reden ist sicher nicht verboten. Ich bin offen für Gespräche, die abseits des Regierungsprogramms liegen. Ich bin die Letzte, die nicht über eine spätere Trennung oder eine Modellregion zur Gesamtschule in den Bundesländern sprechen möchte.

Anfang 2015 soll die Evaluierung der Neuen Mittelschule vorliegen. Fürchten Sie sich davor?

Ich bin neugierig, da ich der Kritik des Koalitionspartners einiges entgegenhalten möchte. Ich glaube, dass sich die Mehrinvestitionen in die NMS auszahlen.

Wie kann die Neue Mittelschule verbessert werden?

Das werden die Evaluierungen zeigen. Eine Veränderung wird es aber sicher geben: Die doppelte Lehrerbesetzung in Deutsch, Mathematik und Englisch darf nicht sakrosankt bleiben. Wenn eine Schule einen anderen Schwerpunkt – wie etwa Naturwissenschaften hat –, dann sollten in diesem Bereich auch zwei Lehrer eingesetzt werden können. Und falls sich bei der Evaluierung zeigt, dass es nicht notwendig ist, dass Kleinstgruppen von zwei Lehrern unterrichtet werden, dann bin ich gesprächsbereit.

Ist es denkbar, dass Sie Brennpunktschulen mehr als sechs zusätzliche Stunden zuerkennen?

Die Ressourcenverteilung muss sich generell verändern. Standorte, an denen Brennpunkte festzustellen sind, sollten mehr Mittel bekommen als Schulen in anderen Regionen. Durch die Bildungsstandards wissen wir ja genau, an welchen Schulen es Defizite gibt. Zudem sollte man sich den sonderpädagogischen Förderbedarf genau anschauen. Für manche Kinder ist das ein vorübergehendes Angebot. Hier muss die Finanzierung flexibler werden. Das alles sollte beim Finanzausgleich 2016 Thema sein.

Nach dem Datenleck und den Pannen bei der Zentralmatura soll es ein neues Gesetz für das verantwortliche BIFIE geben. In welche Richtung wird das gehen?

Die verantwortliche Lenkungsgruppe wird bis Ende des Jahres einen Bericht vorlegen. Ich wünsche mir, dass das BIFIE vorhanden bleibt und nicht ins Ministerium eingegliedert wird. Österreich sollte sich ein eigenes Bildungsforschungsinstitut leisten. Über die Größe des Instituts und die Aufgaben, die es künftig übernehmen soll, muss freilich noch diskutiert werden.

Sehen Sie bei der Zentralmatura noch Verbesserungsbedarf?

Damit beschäftigte sich im Sommer eine Taskforce. Sie hat empfohlen, die Kommunikation im Vorfeld der Matura zu verbessern, einfachere und klarere Berurteilungsregeln auszuarbeiten, die Beispiele noch mehr der Praxis anzupassen und logistische Probleme zu beheben.

Zum Thema Frauenquote haben Sie zuletzt gesagt, dass bis zum SPÖ-Parteitag ein Vorschlag vorliegen soll. Es war auch von Sanktionen die Rede. Wie könnten die konkret ausschauen?

Vorstellbar wäre, dass man Listen, die nicht im Reißverschlusssystem sind, so lange zurückweist, bis sie der Quote entsprechen.

ZUR PERSON

Gabriele Heinisch-Hosek (52) ist seit Dezember 2013 Bildungsministerin. Außerdem leitet sie das Frauenressort. Die Niederösterreicherin ist ausgebildete Hauptschullehrerin für Deutsch und Bildnerische Erziehung. Außerdem ist sie Sonderschullehrerin für Gehörlose. Die Ministerin geriet kurz nach ihrem Amtsantritt wegen des BIFIE-Datenlecks und der Pannen bei der Generalprobe für die Zentralmatura unter Druck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.