Integration: "Geh bitte, rede du als Mann mit ihm"

Integration:
Integration: "Geh bitte, rede du als Mann mit ihm"(c) EPA (Robin Townsend)
  • Drucken

Von Schwimm-Verweigerinnen bis hin zu den „Prinzen“: Gibt es in den heimischen Schulen – wie die SPÖ-Landeschefs Voves und Niessl kritisieren – tatsächlich ein Integrationsproblem?

Wien. Das junge Mädchen verpasste jede einzelne Schwimmstunde. Sie schäme sich eben sehr vor den Buben, erklärten die Eltern der Volksschülerin den Lehrern. Eines Tages stieg die Drittklässlerin dann doch in den Bus, der die gesamte Klasse zum Schwimmbad bringen sollte. Doch noch bevor dieser losfuhr, wurde das Mädchen von seinem Vater aus dem Bus geholt.

Dieser Fall aus Oberösterreich zeigt: Es gibt sie, die Fälle, bei denen ausländische – meist muslimische – Schülerinnen von den Eltern an der Teilnahme am verpflichtenden Schwimmunterricht gehindert werden. Ganz unrecht haben die parteiintern scharf kritisierten roten Landeshauptleute Franz Voves und Hans Niessl also nicht, wenn sie bei ihrer Klage über die „Integrationsunwilligkeit“ so mancher Migranten vorwiegend Probleme in den heimischen Schulen zitieren. Doch handelt es sich bei den Schwimm-Verweigerinnen und den viel gescholtenen ausländischen Buben, die aufgrund des Geschlechts nicht mit ihrer Lehrerin reden wollen, um seltene Einzelfälle oder gar um ein flächendeckendes Problem?

„Da und dort haben wir tatsächlich große Schwierigkeiten“, sagt Paul Kimberger, ÖVP-Pflichtschullehrervertreter, zur „Presse“. Sein roter Kollege, Thomas Bulant, pflichtet ihm bei: „Diese Fälle kommen vor.“ Quantifizieren kann das Phänomen niemand. Es handle sich freilich nur um eine kleine Minderheit. In Klassen von mehr als 20 Schülern sei aber auch schon ein einziger Problemfall genug.

Beide Lehrergewerkschafter haben übrigens schon selbst Erfahrungen mit Integrationsverweigerern gemacht. „Ich war als Personalvertreter bei einem Fall dabei, als ein Zehnjähriger zu einer Lehrerin sagte: ,Mit dir rede ich sowieso nicht‘“, erzählt Kimberger.

Auch Bulants Kolleginnen hatten schon ihre Probleme mit ausländischen Buben und deren Vätern: „Geh bitte, rede du als Mann mit ihm“, sei er schon das ein oder andere Mal gebeten worden. Denn Lehrerinnen würden nicht nur eine offene, sondern auch eine versteckte Ablehnung erfahren – würden also häufig nicht ernst genommen. Für die Pädagogen ist das schwierig. Sie versuchen, den Schülern ein anderes Rollenbild zu vermitteln. „Doch die Mütter sind in diesen Familien oft machtlos – auch was ihre Söhne, wir nennen sie Prinzen, betrifft. Und so ist es häufig auch unsere einzige Chance, mit den Vätern zu kommunizieren. Damit verstärken wir natürlich ein Rollenbild, das wir gar nicht wollen“, zeigt sich Bulant durchaus selbstkritisch.

Lehrer haben in solchen Situationen nur wenig Optionen, beklagt Heidi Schrodt, einstige AHS-Direktorin und nun umtriebige Bildungsexpertin, die erst kürzlich ein Buch zum Thema Migration in Österreichs Schulen veröffentlichte. „Über das Thema Integrationswilligkeit hat sich bislang noch kaum jemand den Kopf zerbrochen“, so Schrodt. Es sei unter den Teppich gekehrt worden. Sie sieht Bildungs- und Integrationsministerium gefordert, den Lehrern zu helfen. Es gehe nicht nur um Prävention, sondern auch um Hilfe in konkreten Fällen.

Der Idee können auch die Gewerkschafter etwas abgewinnen. Sie fordern nicht nur eine bessere Aus-, Fort- und Weiterbildung, sondern auch externe Unterstützung: „Ein paar Stunden Fortbildung ersetzen keine Sozialarbeiterausbildung, kein psychologisches oder interkulturelles Studium“, sagt Bulant.

Probleme auch in Gymnasien

Apropos interkulturell: „Je ferner die Kultur, desto größer die Herausforderung“, diagnostiziert Kimberger. Die Probleme dürften nicht auf die Religion reduziert werden, sagt Schrodt. Betroffen seien meist Strenggläubige aus ungebildeten und sozial schwachen Familien. Deshalb gebe es an Neuen Mittelschulen mehr solcher Fälle als an AHS. Ausgeschlossen sind sie aber auch dort nicht, wie Schrodt selbst weiß: „Ich habe als Direktorin einst einen Anruf aus einer Botschaft bekommen, mit dem freundlichen Hinweis, dass ich mich nicht wundern solle, wenn der hochrangige Botschaftsmitarbeiter, der seine Tochter in meine Schule geben wollte, mir beim Gespräch bewusst nicht in die Augen blicke.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Schule: Integrationsprobleme der Regierung

Soll man „Integrationsunwillige“ bestrafen? Die SPÖ-Landeschefs Voves und Niessl haben mit ihrer Forderung einen Nerv getroffen und bringen nicht nur die eigene Partei unter Zugzwang.
Schule

Integration: Heinisch-Hosek will über Strafen diskutieren

Eltern könnten sich ihrer Verantwortung „nicht ständig entziehen“, sagt die Bildungsministerin. Sie kann sich sogar Geldstrafen vorstellen.
Außenminister Sebastian Kurz
Schule

Integration: Kurz fordert Sanktionen an Schule

Integrationsminister Sebastian Kurz plädiert für mehr Durchgriffsrechte der Lehrer gegen Schüler und Eltern. Weiters will er einen Ausbau der Sozialarbeit, mehr Beratungslehrer und Pädagogen.
Integrations-Unwillige zum Sozialdienst: Entholzer rudert zurück
Politik

Sozialdienst für Integrationsunwillige: Entholzer rudert zurück

Der oberösterreichische SP-Chef nennt seinen Vorschlag in der Integrationsdebatte eine Überreaktion.
SP-Entholzer schlägt Sozialdienst für Unwillige vor
Politik

SPÖ: Entholzer will Sozialdienst für "Integrations-Unwillige"

"Dann müssen die Männer vielleicht auch einmal putzen", sagt Oberösterreichs SP-Chef Entholzer. Der Wiener SP-Landesparteisekretär findet das "ein bisschen populistisch".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.