Bis heute werden Frauen in Führungspositionen als „unweiblich“ beschrieben. In der Sozialpsychologie ist diese „Bedrohung durch Stereotype“ eingehend untersucht.
Das humboldtsche Ideal vom typischen Wissenschaftler war in der Tat eines, das sich auf männliche Lebensbezüge bezog. Die völlige und ausschließliche Hingabe an die Wissenschaft ist aber auch bei Männern längst überholt. Geblieben ist das Stereotyp. Frauen seien schon aufgrund ihrer Natur weniger für wissenschaftliche Leistungen befähigt, verkündete Larry Summers 200 Jahre nach Humboldt – und musste wegen dieser Aussage als Harvard-Präsident zurücktreten.
Ungestraft werden weiter Schriften veröffentlicht, warum Frauen angeblich besser beim Zuhören und schlechter beim Einparken seien. In der Sozialpsychologie ist diese „Bedrohung durch Stereotype“ eingehend untersucht. Empirische Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese sozialen Stereotype und damit verbundene Erwartungen an unterschiedliche Leistungen tief in uns verwurzelt sind und unser Verhalten – jenseits der tatsächlichen Leistungsfähigkeit – wesentlich negativ beeinflussen. Unbewusste Vorurteile wie „Männer sind begabter“ oder „Eine echte Frau kann keine gute Wissenschaftlerin sein“ spielen bei Motivation und Leistung eine wesentliche Rolle.
Kein schmückendes Beiwerk
Wissenschaftliche Daten liefern keinen Beweis dafür, dass Frauen tatsächlich weniger begabt für Mathematik, Naturwissenschaften oder insgesamt für Forschung wären. In Medien werden Wissenschaftlerinnen zwar zunehmend als das tituliert, was sie sind – „Medizinerin“, „Nobelpreisträgerin“. Das schmückende Beiwerk, das Männern – „Inbegriff eines Professors“, „kühner Vordenker“ – zugesprochen wird, wird bei Forscherinnen aber kaum angewendet, ergab eine Untersuchung. Immer noch werden Frauen in Spitzenpositionen in Medien entweder als „mächtig, aber unweiblich“ oder als „attraktiv, aber inkompetent“ beschrieben.
Luhmann meint, dass wir unser Wissen über die Welt aus den Massenmedien beziehen. Auch wenn dies nur zum Teil zutrifft, so sind Medien eine wichtige Quelle der Kultivierung von Vorurteilen. Wer an Unis mit Frauen an der Spitze zu tun hat, hat weniger stereotype Einstellungen. Auch die Medien können einen wesentlichen Beitrag leisten: Die Darstellung der Lebens- und Arbeitswelt sowie der Leistung von Frauen in der Forschung können stereotype Rollenbilder durchbrechen und neue Role Models schaffen. Schon eine simple Maßnahme wie das Präsentieren von Bildern weiblicher Führungskräfte hilft Vorurteile abzubauen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2011)