Schulschwänzen: Zwei Drittel für härtere Strafen

Schulschwaenzen Zwei Drittel fuer
Schulschwaenzen Zwei Drittel fuer(c) Clemens Fabry
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Laut einer Umfrage halten 69 Prozent der Befragten härtere Strafen für "zielführend bei der Integration". Sozialpädagogin Kittl-Satran hingegen bezeichnet den Vorschlag Kurz' als "größten Schwachsinn überhaupt".

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich mit seinem neuerlichen Vorstoß, grobe Schulpflichtverletzungen mit 1500 statt bisher 220 Euro Verwaltungsstrafe zu ahnden, harsche Kritik eingehandelt. Am Dienstag untermauerte er seine Forderung, die seiner Einschätzung nach vor allem Migranten betreffen würde, mit einer Gallup-Umfrage im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (November 2011, 500 Befragte). Demnach halten 69 Prozent der Befragten härtere Strafen für "eher zielführend zur Förderung der Integration".

In Wien ist der Anteil der Befragten, die auf härtere Strafen als Mittel zu Integration setzen, mit 74 Prozent sogar noch etwas höher. Ein Viertel der Österreicher hielte härtere Strafen bei Schulpflichtverletzungen indes für "eher weniger zielführend", in Wien sind es 24 Prozent.

Tatsächlich ist der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter Schulschwänzern, -verweigerern und -abbrechern auffällig, sagt Helga Kittl-Satran, Grazer Sozialpädagogin und Autorin einer Studie zu Schulabbruch. Allerdings habe das weniger mit der Herkunft der Schüler zu tun, sondern damit, dass diese "in unserer von sozialer Ungleichheit geprägten Gesellschaft oft Ausgrenzung und Benachteiligung erfahren". Sie seien durch die starke Selektionswirkung des Bildungswesens entmutigt, würden kaum Chancen in der Beteiligung an Bildungsprozessen sehen und daher oft frühzeitig das Bildungssystem verlassen.

Expertin: "Größter Schwachsinn überhaupt"

Kittl-Satran warnt davor, das Problem kulturspezifisch zu sehen: Schulabsentismus sei ein Phänomen, das in allen Milieus und familiären Konstellationen zu beobachten sei. Nur seien die Konsequenzen für benachteiligte Jugendliche, die den Anforderungen nicht gewachsen seien oder die sich dem Bildungssystem entziehen, drastischer und könnten innerhalb der Familie nicht ausgeglichen werden.

Die Forderung von Staatssekretär Kurz ist für Kittl-Satran "der größte Schwachsinn überhaupt". Repressive Maßnahmen seien ein Ausdruck von Hilflosigkeit und würden zeigen, dass Schulabsentismus als individuelles Problem gesehen werde und die Institutionen die Verantwortung zu den Schülern und deren Familien abschieben. Dabei könnten die betroffenen Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status schon die 220 Euro nicht bezahlen, betont die Forscherin der Uni Graz. Statt höhere Strafen zu verhängen und damit die Betroffenen zusätzlich zu etikettieren, müssten jene Probleme angeschaut werden, die dazu führen, dass Kinder und Jugendliche nicht in die Schule gehen.

Ablehnung von vielen Seiten

Ablehnung erfährt der erneute Vorstoß Kurz' sowohl von Grünen und BZÖ als auch von Koalitionspartner SPÖ. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) stellt sich gegen "existenzgefährdende Strafen", zeigt sich aber bezüglich eines Maßnahmenpakets zur weiteren Reduktion von Schulpflichtverletzungsfällen "gesprächsbereit", wie es aus ihrem Büro heißt. Grüne und BZÖ fordern statt Strafen mehr schulische Unterstützung; die FPÖ ist gegen eine einmalige Geldstrafe, aber für eine Streichung der Familienbeihilfe bei wiederholten Schulpflichtverletzungen.

Schulpflichtverletzung

Eltern sind nach dem Schulpflichtgesetz (1985) dazu verpflichtet, "für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch das Kind, Sorge zu tragen". Erscheint ein Kind lange nicht in der Schule und können weder Schule noch in Folge das Jugendamt zu den Eltern durchdringen, erstattet letzteres Anzeige bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde. Als Folge kann eine Verwaltungsstrafe von bis zu 220 Euro verhängt werden. Laut Unterrichtsministerium laufen derzeit rund 1500 Verfahren Zu tatsächlichen Strafen kommt es aber verhältnismäßig selten.

(APA)

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