Kindergartenpädagogin als „Ausweg“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In der Bundeshauptstadt fehlen derzeit 200 Kindergartenpädagogen. Mit einer "Jobgarantie" und einem Tag der offenen Tür versucht die Stadt, das Interesse für diese Ausbildung zu wecken und Nachwuchs anzuwerben.

Wien. Der Mangel an Kindergartenpädagogen droht in Wien zu einem veritablen Problem zu werden. Derzeit fehlt es an 200 Pädagogen – Assistenten müssen einspringen und den Notstand ausgleichen. Um Nachwuchs anzuwerben und das Interesse für diese Ausbildung zu wecken, lud die stadteigene Bildungsanstalt (Bakip) in Floridsdorf am Montag zum Tag der offenen Tür.

Einige hundert meist junge Frauen kamen, um sich über die Ausbildungsrichtungen „Pick-up“ und „Change“ zu informieren, die im Kollegmodul als zusätzliche Lehrgänge zur fünfjährigen Schulausbildung, die mit Matura abgeschlossen wird, angeboten werden.

Zwei Ausbildungsrichtungen

Das Modell „Pick-up“, eine siebensemestrige Ausbildung zum diplomierten Kindergartenpädagogen, bei der auch die Studienberechtigungsprüfung erworben wird, richtet sich laut Bakip vor allem auch an Migranten mit guten Deutschkenntnissen, die zur Förderung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache beitragen sollen.

Entsprechend hoch war am Montag der Anteil an Frauen mit Migrationshintergrund. Frauen wie die 18-jährige Türkin Meltem Acar, die vor Kurzem ihre Lehre zur Einzelhandelskauffrau abgebrochen hat und diese Ausbildung als Möglichkeit sieht, einen Beruf zu erlangen, der ihr „einen sicheren Arbeitsplatz garantiert und ihr bei der Familienplanung entgegenkommt“. Sie werde nämlich demnächst heiraten und wolle ein, zwei Jahre arbeiten, bevor sie Kinder bekommt und nicht mehr Vollzeit beschäftigt sein kann. Sie habe den heutigen Tag genutzt, um sich über die Verdienstmöglichkeiten zu erkundigen und sich für die Eignungsprüfung im April anzumelden. „Ich sehe in diesem Kolleg einen Ausweg für mich“, so die junge Frau. „Nach mehreren gescheiterten Ausbildungsversuchen hoffe ich, dass es diesmal klappt.“

„Die Mehrheit der Frauen informiert sich über das Pick-up-Modell, das keine Matura voraussetzt“, sagt Sanja Cvijanovic. Sie ist Studentin im dritten Semester und hilft Interessenten bei ihrer Entscheidungsfindung. „Meistens geht es um die Bezahlung und die Ausbildungsdauer.“ Wobei das allgemeine Interesse nachgelassen habe. Im letzten Jahr seien der Einladung zum Tag der offenen Tür noch deutlich mehr Leute gefolgt.

Das Modell „Change“, eine fünfsemestrige Ausbildung zum Kindergartenpädagogen, setzt die Matura bzw. die Berufsreife- oder Studienberechtigungsprüfung voraus. Für die 33-jährige Jaqueline Auer ist dieser Zweig eine Möglichkeit, der Arbeitslosigkeit zu entkommen und Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. „Ich habe meine Studienberechtigungsprüfung gemacht und wollte mich zur Sonderschullehrerin ausbilden lassen, aber mit Kind und Job war das schwer zu bewerkstelligen“, beklagt die Mutter einer 13-jährigen Tochter. „Daher scheint mir diese Lösung der realistischste Weg zu sein, ins Berufsleben zurückzukehren. Ich denke, ich werde es einfach versuchen.“ Derzeit werden an der Bakip übrigens 748 Frauen und 69 Männer ausgebildet. Im Gegensatz zur fünfjährigen Schulausbildung ist mit den beiden Modellen „Pick-up“ und „Change“ nach Abschluss der Ausbildung eine fünfjährige Vertragsverpflichtung mit der Stadt Wien verbunden. „Damit bekommen Absolventen dieser Lehrgänge eine Anstellungsgarantie“, schwärmt Bakip-Direktorin Brigitte Cizek. Garantiert ist aber auch, dass Absolventen in dieser Zeit nicht nach Niederösterreich ausweichen können, was viele aufgrund der höheren Einstiegsgehälter machen.

„Ressourcen sind knapp“

Um dem Mangel an Pädagogen entgegenzuwirken, wird Wien heuer 600 Millionen Euro für Kindergärten ausgeben. Laut Michaela Zlamal, Sprecherin von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch, gibt es zurzeit rund 15.000 Krippenplätze und 50.000 Kindergartenplätze sowie 22.000 Hortplätze. Von den Krippen- und Kindergartenplätzen sind rund 44Prozent städtisch und 56Prozent privat (etwa 29.000 städtische Plätze). Vorrangig werden neue Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Hier habe die Stadt einen Versorgungsgrad von etwas mehr als 30Prozent, bei den drei- bis sechsjährigen Kindern seien es 100Prozent. 2012 sollen 1500 weitere Plätze geschaffen werden. Derzeit sind 3400 Pädagogen und 2800 Assistenten in städtischen Kindergärten im Einsatz. „Die Ressourcen sind knapp“, sagt Oxonitsch. „Aber wir legen großen Wert auf die Qualität in der Ausbildung, deshalb braucht es eine gewisse Zeit, neue Pädagogen auszubilden.“ Erste Erfolge seien schon sichtbar. „Ende Februar haben 101 neue Pädagogen die Ausbildung abgeschlossen und verstärken seither das Team in den Kindergärten.“

Auf einen Blick

Zahlen. In Wien gibt es mehr als 15.000 Krippenplätze, etwa 50.000 Kindergartenplätze sowie rund 22.000 Hortplätze im städtischen und privaten Bereich. Mehr als 3300 Pädagogen und 2800 Assistenten sind in den Kindergärten im Einsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2012)

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