Lehrerdienstrecht: "Gewerkschaft betreibt Politik des Abwartens"

Lehrerdienstrecht Gewerkschaft betreibt Politik
Lehrerdienstrecht Gewerkschaft betreibt Politik(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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In der Vergangenheit sind Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht am "Nein" der Gewerkschaft gescheitert. Unabhängige Lehrervertreter fordern nun klare Positionen statt Blockade.

Die Presse: Wir hätten den obersten AHS-Gewerkschafter, Eckehard Quin, zum Streitgespräch mit Ihnen eingeladen. Dieser lehnte das mit der Begründung ab, dass er durch eine Teilnahme Ihrer Fraktion, der unabhängigen ÖLI-UG, zu große Wichtigkeit beimessen würde.

Reinhart Sellner: Die Aussage zeigt, dass er kein sachliches Interesse hat. Wenn man als Mehrheit parteipolitische Interessen verfolgt, ist es bequem zu sagen, „die Mehrheit hat recht“. Wir sind immer zur Diskussion bereit, das weiß er. Aber wir sind nicht bereit, uns für eine Stimmungsmache, die gegen jede Art von Veränderung geht, instrumentalisieren zu lassen. Statt Gewerkschaftsfragen zu diskutieren, verwendet Kollege Quin Gewerkschaftsadressen lieber dazu, politische Pamphlete unter den Gewerkschaftsmitgliedern zu verbreiten.

Zur Person

Reinhart Sellner (65) ist Lehrer im 41. Dienstjahr an einer Wiener AHS und sitzt im Vorstand der unabhängigen Lehrergewerkschaftsfraktion ÖLI-UG.

Aber das Argument, dass Ihre Fraktion sehr klein ist, ist ja berechtigt.

Wir sind eine Minderheit. Aber ob 25 Prozent so wenig sind, dass er mit uns nicht reden muss, bezweifle ich. Eine solidarische Gewerkschaft schaut anders aus. Was er zeigt, ist präpotentes Verhalten.

Man hat den Eindruck, dass es der Gewerkschaft dennoch wichtig ist, im Bezug auf das neue Dienstrecht nach außen Geschlossenheit zu demonstrieren. Ihre Fraktion treibt quer – ist das der Sache dienlich?

Wir treiben nicht quer. Wir argumentieren Positionen, von denen wir glauben, dass sie der Dienstgeber bedenken muss, auch wenn sie „nur“ von uns kommen. Was die Sache der Lehrer aber tatsächlich schwächt, ist die fantasielose Politik des Abwartens.

Die Verhandlungen zum neuen Lehrerdienstrecht gehen in die heiße Phase. Von der Gewerkschaft war bis jetzt nur ein Nein zu hören. Gehört das auch zur Politik des Abwartens?

Wir wissen seit Jahren, dass ein neues Dienstrecht ins Haus steht. Die ÖLI-UG hat vorgeschlagen, dass die Lehrergewerkschaften der GÖD gemeinsam beraten und positiv formulieren, was für ein Dienstrecht die Lehrer – in der sich verändernden Schule mit all ihren Anforderungen – brauchen. Das ist nicht passiert. Die Gewerkschaftsspitzen wollen aber lieber abwarten und Schlimmeres verhindern. Wir wollen gemeinsam und offensiv kreative Konzepte entwickeln und damit in Verhandlungen gehen.

Welche Forderungen sollte die Gewerkschaft denn Ihrer Ansicht nach in die Verhandlungen tragen?

Zuerst muss die Arbeit eines Lehrers klar beschrieben und definiert werden. Jeder Schüler, jede Stunde sind gleich viel wert, aber eine Stunde in großen Klassen ist anders zu honorieren als etwa eine mit einer Kleingruppe. Begleitlehrersysteme, Schulentwicklung, Teamteaching – das sind alles Veränderungen, bei denen sich die Lehrer zuerst einmal untereinander ausmachen müssten, wie sie das sehen. Das tun sie aber nicht, und so müssen wir auf die Weisheit des Dienstgebers warten.

Und der Dienstgeber hat ja zuletzt bereits Mehrarbeit für Junglehrer in Aussicht gestellt. Ist das weise?

Lehrerarbeit muss gut bezahlt werden, wir brauchen viele junge Lehrer, und die brauchen einen Berufseinstieg ohne Überforderung. Da darf nicht gespart werden. Wenn man die Lehrverpflichtung erhöht und das mit höheren Anfangsbezügen kaschiert, die sich nach ein paar Jahren in einer flachen Gehaltskurve verlieren, dann bleibt lebenslänglich nur die Arbeitszeiterhöhung. Wir haben viele alte Lehrer, die so wie ich bald in Pension gehen: Damit sinken die Personalkosten, weil die Jungen weniger kosten, auch wenn sie am Anfang mehr verdienen als bisher. Und der Dienstgeber hätte ohne Lehrpflichterhöhung noch was eingespart. Auch in dieser Frage sollten sich die Lehrergewerkschaften auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.

Warum passiert das nicht?

Weil es fünf verschiedene Lehrergewerkschaften gibt, unter denen kaum Austausch stattfindet, und neun Bundesländerdienstrechte. Auch die Frage der Gesamtschule ist ein großes Hemmnis, genauso wie die unterschiedliche Ausbildung und Bezahlung von Lehrern. Wer die Gesamtschule nicht will, der will auch mit den „minderen“ Hauptschullehrern nichts zu tun haben. Solange es keine gemeinsame akademische Ausbildung und besseren Gehälter für alle Lehrer gibt, wird sich nichts ändern. Weil es so ist, braucht es nicht so zu bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2012)

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