Die roten Studentenvertreter machen Stimmung gegen die Salzburger SPÖ-Chefin Gabi Burgstaller. In einem Gegenantrag werden sie beim Bundesparteitag ein Grundstipendium für alle Studierenden fordern.
Wien/Salzburg. In der Öffentlichkeit erntet Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller für ihren Reformeifer in Sachen Studiengebühren Zustimmung – innerhalb ihrer eigenen Partei, der SPÖ, formiert sich aber Widerstand: Beim SPÖ-Bundesparteitag am 13. Oktober, bei dem Burgstaller ihr Studiengebührenkonzept vorlegen will, droht nun gar eine Kampfabstimmung.
Als Widerpart Burgstallers, die entgegen der Parteilinie auf die Studiengebühr drängt, positionieren sich die Studierendenvertreter des Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ). Sie werden auf dem Parteitag einen Gegenantrag zur Uni-Finanzierung einbringen. Kernelement des Antrags, der der „Presse“ vorliegt: die Ablehnung von Studiengebühren und die Einführung eines Grundstipendiums für ausnahmslos alle Studenten. Die beiden Konzepte stehen einander damit diametral gegenüber.
Burgstallers Modell sieht vor, dass 60 Prozent aller Studierenden eine Studiengebühr in der Höhe von 363,36 Euro bezahlen sollen. Das sei jedoch „nur eine Seite der Medaille“, so Burgstaller zur „Presse“. Viel wichtiger sei ihr der Ausbau des Stipendienwesens. Jene 40 Prozent, die keine Gebühren zahlen, sollen von Beihilfen profitieren. Zudem sollen sie ein Uni-Startgeld von 1000 Euro erhalten.
Wie Burgstaller auf das Verhältnis 40 zu 60 kommt? „Der Wert ist nicht zufällig gewählt.“ Internationale Studien im OECD-Raum hätten bewiesen, dass so „die soziale Durchmischung am besten ist. Damit haben wir am ehesten einen sozial gerechten Uni-Zugang“, sagt Burgstaller. Erreichen könne man die 40 Prozent, indem man die Einkommensgrenze von Familien bzw. Eltern, bis zu derer Studenten Beihilfen beziehen können, um rund 5000 Euro im Jahr anhebt. Das hätten Berechnungen von Wirtschafts- und Steuerexperten ergeben.
Stipendien um 1,7 Milliarden Euro
Kosten soll der Ausbau der Beihilfen jährlich 120 Millionen Euro. Die Einnahmen durch die Studiengebühr sollen sich auf 140 Millionen Euro belaufen. In Summe brächte das Modell den Unis somit jährlich (nur) 20 Millionen Euro ein.
Der Gegenantrag der Studentenvertreter ist deutlich kostenintensiver: Sie veranschlagen jährlich 1,7 Milliarden Euro für das Grundstipendium. Jeder Studierende soll laut Konzept monatlich rund 815 Euro erhalten – das entspricht der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Erhalten soll das Stipendium jeder, unabhängig von Alter und Staatsangehörigkeit. Und auch unabhängig vom Einkommen der Eltern. Entscheidend ist das Einkommen des Studenten selbst: Wer jährlich mehr als 10.000 Euro verdient, dem wird der überschüssige Betrag vom Stipendium abgezogen.
Sobald das Grundstipendium eingeführt ist, sollen alle anderen Beihilfen – also die Familienbeihilfe für Studenten, die Studienbeihilfe und auch Leistungsstipendien – abgeschafft werden (Details s. Faktenkasten). Finanziert werden soll das Modell etwa über Vermögensteuern, Erbschaftssteuer und Börsenumsatzsteuer: Bis zu vier Milliarden Euro könne man so lukrieren. Als „Übergangslösung“ fordert der VSStÖ unter anderem die sofortige Erhöhung der derzeitigen Beihilfen. Die Familienbeihilfe solle nicht mehr an das Lebensalter, sondern an die Studiendauer geknüpft sein. Für Teilzeitstudenten fordert man eigene Regelungen.
Burgstallers Vorschlag sei nur eine „Augenauswischerei“, sagt Angelika Gruber, die für den VSStÖ im ÖH-Vorsitzteam ist. Für Studierende bringe er keine Verbesserungen. „Die SPÖ-Mitglieder dürfen sich nicht von den schön geschmückten Zahlen täuschen lassen“, sagt Gruber. Offiziell hat Burgstaller derzeit auch die meisten SPÖ-Landesparteien gegen sich. Oberösterreich, Wien und Vorarlberg lehnen Gebühren ab, im Burgenland nennt man eine Reichensteuer als Bedingung. Niederösterreich und Kärnten wollen eine Akademikersteuer. Auch Steiermarks Franz Voves, der für Gebühren ist, will sich nicht zu Burgstallers Modell äußern. Nur die Tiroler SPÖ spricht von einem „willkommenen Vorschlag“.
Die Uni-Chefs zeigen sich vorsichtig positiv. Ebenso wie – wenig überraschend – Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP). Er will mit Burgstaller das Gespräch suchen.
Die Finanzierungsmodelle im Vergleich
Gabi Burgstaller will 60 Prozent aller Studierenden mit 363,36 Euro pro Semester zur Kasse bitten. Die restlichen 40 Prozent sollen Stipendien erhalten (derzeit: 17 Prozent). Zudem gäbe es ein „Startgeld“ von 1000 Euro. Für die Unis ergäbe sich ein Plus von 20 Mio. Euro jährlich.
Die roten Studentenvertreter sind gegen Studiengebühren. Sie fordern ein Grundstipendium für alle Studierenden an heimischen Hochschulen. Auch Österreicher, die im Ausland studieren, sollen gefördert werden. Höhe des Stipendiums: 815 Euro im Monat, mit jährlichen Indexanpassungen. Wer vor seinem Studium berufstätig war, kann mehr erhalten. Wer neben dem Studium mehr als 10.000 Euro verdient, dessen Stipendium verringert sich. Höchststudiendauer ist die durchschnittliche Studiendauer im Fach; pro Jahr sind acht Semesterwochenstunden (bzw. 16 ECTS-Punkte) zu erbringen. Mit einer Reichensteuer sollen die Ausgaben von 1,7 Mrd. Euro finanziert werden.
Uni-Minister Karlheinz Töchterle will Unis autonom über Gebühren von bis zu 500 Euro im Semester entscheiden lassen. Der Betrag kann gestundet werden. Stipendien will er ausbauen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2012)