Warum Luxemburger in Österreich „studeieren“

(c) Die Presse (CLemens Fabry)
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Euro-Exoten. Was sie wollen: Weit weg von der Heimat, keinen Numerus Clausus und Deutsch als Unterrichtssprache.

Brüssel, Trier und Freiburg, Straßburg und Nancy – das waren früher die klassischen Universitätsstädte, in die Luxemburger zum „Studeieren“ – so heißt das auf Lëtzebuergesch – gegangen sind. Waren, wohlgemerkt. Denn immer mehr Junge wollen nicht mehr in unmittelbarer Umgebung ihrer Heimat bleiben. Es zieht sie nach Aix en Provence, Montpellier, Berlin – und auch in österreichische Uni-Städte.

4000 Studenten besuchen die Hochschule im Großherzogtum, in Österreich sind 426 Luxemburger an den Unis inskribiert. Das sind immerhin um 118 mehr als noch im Jahr 1998.

Allein in Innsbruck studieren derzeit an die 200 Luxemburger. „Die meisten machen Medizin“, sagt Max Raths, Präsident des dortigen Lëtzebuerger Studentenclubs. „In Deutschland werden wir nämlich schwer angenommen, in Österreich werden wir wie Österreicher behandelt.“ Was noch für Innsbruck spricht? „Dass Innsbruck ein Wintersport-Ort ist, ist sicher nicht von Nachteil.“ Die Hauptmotivation sei es allerdings nicht. Auch wenn das in Luxemburg manchmal behauptet werde.

Man spricht Deutsch

Ein weiterer Grund, der für Österreich spricht: Viele Luxemburger haben Probleme mit der französischen Sprache – obwohl sie in der Schule Unterrichtssprache ist. Daher tendieren sie bei der Wahl ihrer Uni zu deutschsprachigen Ländern, wovon Österreich profitiert.

Die akademischen Beziehungen zwischen Luxemburg und Österreich gehen zurück bis in die Zeit von Maria Theresia, die damals auch Luxemburgische Großherzogin war. Seit 1970 besteht außerdem ein Kulturabkommen zwischen den beiden Ländern, das den kulturellen und universitären Austausch fördern soll. In Zahlen hat sich das zunächst allerdings nicht ausgewirkt.

„Vor 15 Jahren ist Wien zum ersten Mal als Studienort für Luxemburger interessant geworden“, erklärt Daniel Godart, von 1992 bis 1994 selbst Student in Wien, die steigende Nachfrage.

Damals waren es vor allem der gute Ruf der Veterinärmedizinischen Uni, der Universität der Bildenden Künste und der TU, die Luxemburger nach Wien lockten. Nachdem der zweite Abschnitt technischer Studien lange Zeit (mangels Angebot in Luxemburg) im Ausland absolviert werden musste, wurden auch die übrigen Technischen Unis in Österreich gut frequentiert.

„Nach ihrer Rückkehr haben die Leute Mundpropaganda gemacht. Das beginnt sich jetzt auszuwirken“, so Godart. Dazu komme die Gründung der Luxemburgisch-Österreichischen Gesellschaft 1994, die ebenfalls Werbewirkung gezeigt habe. „Und die Werbung bei der Studenten-Messe in Luxemburg, die funktioniert auch gut.“

Dazu kommen strukturelle Gründe, die für ein Studium in Österreich beziehungsweise gegen eines in Luxemburg sprechen:

Sonderregelungen: Luxemburger sind (wie Südtiroler oder Liechtensteiner) den Österreichern beim Studium gleichgestellt. Sie fallen nicht in die Mediziner-Quote, zahlen nicht mehr Studiengebühren als österreichische Staatsbürger und müssen keine Prüfung ablegen, um ihre Deutschkenntnisse zu beweisen.
Wenige Hürden bei Uni-Zugang: Anders als in Belgien, Frankreich und Deutschland gibt (beziehungsweise gab) es in Österreich lange Zeit keine Zugangsbeschränkungen in Form von Eignungstests oder Numerus Clausus.
Unterversorgung: In Luxemburg gibt es erst seit 2003 eine eigene Universität. „Die ist aber erst im Aufbau und daher für Studenten nicht attraktiv“, so Jean-Marie Parisot, Präsident des Lëtzebuerger Studentenclubs Wien. Bis vor Kurzem war es zudem an der „Uni.lu“ gar nicht möglich, ein Studium bis zum Ende zu studieren.
Billigreisen: (Für Luxemburger verhältnismäßig) große Distanzen können in Zeiten von Ryanair und Co. relativ günstig überwunden werden. Und Internet-Telefonie nimmt die Angst vor der Ferne...

Eingeschworene Community

Und noch etwas soll den Luxemburgern die Hemmungen nehmen: Seit den 1970ern gibt es in jeder österreichischen Unistadt eine Vertretung der Vereinigung der Luxemburger Studentenvereine (ACEL). Dort bekommen sie Unterstützung bei Problemen, vielmehr geht es aber darum, den Kontakt zu den anderen Luxemburgern zu halten.

Abkapseln wollen sich die Luxemburger aber nicht, wie Raths vom Innsbrucker Lëtzebuerger Studentenclub betont. „Bei uns ist jeder willkommen.“

LEXIKON

www.acel.luLuxemburg ist2586 km2 groß und hat 457.000 Einwohner. Die Landessprachen sind Lëtzebuergesch (ein moselfränkischer Dialekt), Deutsch und Französisch. Unterrichtssprache ist Französisch, außer während der Deutschstunden. Und so hört sich Lëtzebuergesch an:

Moien – Hallo

Eddi – Auf Wiedersehen

Virliesung - Vorlesung

studeieren - studieren

Eistreich - Österreich

Ech schwätzen daitsch – Ich spreche deutsch

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2007)


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