Kaum gelehrt: Sprachen der Nachbarn

(c) Die Presse (ClemensFabry)
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Wenig Vielfalt. Mangelndes Interesse von Schülern und zu wenig Sprachlehrer als Grund.

Von den Zielvorgaben der EU ist Österreich weit entfernt. Demnach sollte jeder Bürger der Union „zur Kommunikation in mindestens zwei Gemeinschaftssprachen neben seiner Muttersprache“ fähig sein. Besondere Bedeutung hätten dabei die Sprachen der Nachbarländer und regionaler Minderheiten, heißt es im Weißbuch der europäischen Kommission aus 1995. Dieses Ziel wurde in Österreich nicht erreicht, wie der Rechnungshof in einer Ende Dezember 2007 veröffentlichten Prüfung kritisiert.

Weder die Sprachenvielfalt in Bundesländern mit autochthonen Minderheiten (Kroatisch im Burgenland, Slowenisch in Kärnten etc.), noch der in manchen Teilen Österreichs große Anteil an Menschen mit der Muttersprache Türkisch oder Serbisch spiegle sich im Fremdsprachenunterricht wider.

Sprache als Wirtschaftsressource

Dabei könnten vor allem die „Begegnungssprachen“ Serbisch oder Türkisch „wertvolle Ressourcen für die Wirtschaft darstellen“. Das Bildungsministerium solle untersuchen, wie auch Kinder mit deutscher Muttersprache von den „Nativespeakers“ in ihrer Klasse profitieren können.

Die Realität schaut unterdessen ganz anders aus. Während jeder österreichische Schüler eine Fremdsprache lernen muss – das ist mit Abstand am häufigsten Englisch – wurden die Sprachen der österreichischen Nachbarländer Tschechien und Slowakei nur in geringem Umfang angeboten.

Durch das Minderheiten-Schulwesen repräsentativer vertreten war der Sprachunterricht in Ungarisch, Kroatisch und Slowenisch. Unter diesen konnte ausgerechnet Kärnten (Stichwort: Ortstafelstreit) im Schuljahr 2007/08 über Rekordanmeldungen zum zweisprachigen Unterricht jubeln. 40 Prozent der Volksschüler werden in Deutsch-Slowenisch unterrichtet.

An den Höheren Schulen sind die Zahlen unterdessen weiterhin erschreckend niedrig: Nur weniger als 0,5 Prozent der Schüler lernt Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch oder Kroatisch. Dementsprechend wenige Österreicher können in diesen Sprachen kommunizieren. Bei einer IMAS-Umfrage im Herbst 2005 antworteten 53 Prozent auf die Frage „Welche Fremdsprache sprechen oder verstehen Sie zumindest ganz gut“ mit Englisch. Für Ungarisch gaben das zwei, für Tschechisch ein Prozent der Befragten an.

Im Gegensatz dazu steht eine Umfrage des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw), welche Sprachen künftig an Bedeutung gewinnen werden. Nach Englisch und Italienisch folgen bereits Sprachen der Nachbarländer: 16 Prozent halten Tschechisch für immer wichtiger, 14 Prozent Ungarisch, zwölf Slowenisch und elf Slowakisch. Die Nachbarländer gehören schließlich längst zu Österreichs wichtigsten Handelspartnern. Und Sprachkenntnisse können laut ibw letztlich die Exportchancen steigern.

Der Rechnungshof fordert das Bildungsministerium auf, das Angebot für Nachbarsprachen künftig stärker zu steuern. „Das Lernen von Fremdsprachen sollte nicht nur den subjektiven Nutzenüberlegungen des Einzelnen überlassen werden, sondern auch in einem umfassenden Rahmen von gesamtwirtschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Zielen bestimmt werden.“

Gegenargument in der Stellungnahme des Bildungsministeriums: Es gebe an Österreichs Schulen bereits „ein sehr großes Sprachenangebot“. Eltern und Schüler nähmen dieses allerdings nicht oder nur zum Teil an, es gebe außerdem zu wenige Lehrkräfte, die die Sprachen der Nachbarländer unterrichten könnten.

Das Angebot wahrnehmen

Mittelfristig für Besserung sorgen soll die Europarat-Initiative „Language Education Policy Profiling“, an der sich das Bildungsministerium seit 2006 beteiligt. Dabei wird der Status quo der Fremdsprachenbildung erhoben und anschließend mit internationalen Fachleuten ein „Länderprofil“ erstellt – als Basis eines österreichischen Gesamtkonzepts für die Vermittlung von Fremdsprachen.

Bis dahin müssen sich an den Sprachen der Nachbarländer Interessierte an das bereits vorhandene Angebot halten. Das werde nämlich nicht ausreichend wahrgenommen, beklagt Gunter Abuja, Geschäftsführer des österreichischen Sprachkompetenzzentrums.

IN ZAHLEN

An den höheren Schulen lernen 95% der Schüler Englisch, 20%Französisch, 10% Italienisch. Weniger als 0,5% lernen Slowenisch, Tschechisch,Ungarisch, Kroatisch; vor allem in den Minderheitengebieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2008)

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