„Bildungsjournalisten sollten keine Politik betreiben “

Vorsitz. Der neue Chef des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten, Oliver Lehmann, erzählt, warum ihm die journalistische Neugier ebenso nahesteht wie das Forschungsinstitut Ista, dessen Pressesprecher er ist.

Die Presse: Der Reformdruck im Bildungsbereich ist groß. Erfüllen die österreichischen Journalisten dabei ihre Aufgabe?

Oliver Lehmann: Im Großen und Ganzen ja. Das Thema ist medienrelevant, weil die Diskussion polemisch geführt wird.

Ist diese Polemik nicht auch gefährlich?

Ja. Es ist die Aufgabe der Bildungsjournalisten, Inhalte von Polemik zu trennen. Andererseits kann es auch von Nutzen sein, Probleme zuzuspitzen. Eine ganz wichtige Funktion von Journalisten ist es, die polemische Spreu vom inhaltlichen Weizen zu trennen.

Gibt es Bildungsthemen, bei denen Sie besonders viel Polemik erkennen?

Das zieht sich quer durch. Die Leidenschaft, mit der diskutiert wird, ist nachvollziehbar, weil es um zentrale Zukunftsthemen geht.

Für das Thema Bildung scheinen viele verschiedene Leute eine Leidenschaft zu entwickeln. Wie sollen Journalisten mit diesen Meinungen umgehen?

Aufnehmen müssen sie diese. Dann ist es die Aufgabe der Bildungsjournalisten, diese Meinungen einzuordnen, zu analysieren und in ein Verhältnis zueinander zu stellen.

Dabei wird den Journalisten oft vorgeworfen, dass sie quasi selbst Politik betreiben.

Bildungsjournalisten sollten Journalismus betreiben und nicht Politik. Dass sie durch ihre Tätigkeit politisch wirken, steht außer Frage. Es ist Teil dessen, was sich Bildung einer großen Öffentlichkeit nennt.

Was sind Ihre persönlichen Ziele als Vorsitzender? Wird sich der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten stark verändern?

Nein. Der Klub hat ein ausgezeichnetes Statut und gute Grundsätze. Mein Lieblingsleitsatz daraus: Die Tätigkeiten des Klubs basieren auf dem Grundsatz, dass Wissenschaft und Bildung zu den Grundpfeilern einer aufgeklärten, fortschrittsfähigen und solidarischen Gesellschaft gehören. Genau an dieser Leitlinie werden wir uns weiter orientieren.

Gibt es auch inhaltliche Ziele?

Ja. Journalisten sind zunehmendem Druck ausgesetzt. Freie Mitarbeiter sind etwa oft nicht in der Redaktion eingebunden und werden immer mehr zu Einzelkämpfern. Jene, die eingebunden sind, kriegen immer mehr zu tun und sind immer stärkeren Zwängen ausgesetzt. Genau in dieser Situation ist die Vernetzung sehr wichtig. Außerdem sind immer mehr Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten sowohl in der PR als auch im Journalismus tätig. Manche müssen PR machen, um sich den Journalismus leisten zu können. Genau dafür braucht es Transparenz. Die Öffentlichkeit muss klar wissen, wer schreibt in wessen Auftrag. Diese Debatte zu führen und möglicherweise Richtlinien zu entwickeln, ist eine meiner Aufgaben.

Das passt auch zu Ihrem Lebenslauf: Sie sind Journalist und Pressesprecher. Wie lässt sich das vereinbaren?

Es lässt sich vereinbaren, indem der Grundsatz der Transparenz gewahrt wird. Es muss stets klar sein, in welcher Funktion ich spreche.

Welche Funktion ist Ihnen näher?

Ich möchte weder das eine noch das andere missen. Die journalistische Urgier nach der Neuigkeit ist mir genauso wichtig wie die Entwicklung und der Aufbau von einem so spannenden Forschungsinstitut wie IST Austria.

Zur Person

Oliver Lehmann (48) ist Sprecher des Institute of Science and Technology und Mitherausgeber des „Universum Magazins“. Er ist der neue Vorsitzende des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Seine Stellvertreter: Martin Kugler, Veronika Schmidt (beide „Die Presse“). [Roland Ferrigato]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2012)


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