Die Angst vor der Sucht

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Medienbildung für Eltern gibt es hierzulande kaum. Dabei stellen Computer, Games und TV alle Familien vor schwierige Herausforderungen.

Wie viel Zeit sollen Kinder vor dem Bildschirm verbringen – und zwar egal, ob dieser ein Fernseher, ein Computermonitor oder ein Handy ist? Diese Frage kostet Eltern einiges an Nerven. Einerseits wissen sie, dass heute nichts mehr geht ohne die fundierte Beherrschung digitaler Medien. Wer will da schon die Chancen seines Kindes schmälern, indem man es zum digitalen Analphabeten macht? Andererseits sehen die meisten Eltern in Computern, TV und Co. eine potenzielle Gefahr und Suchtquelle, von der sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

Diese Verunsicherung zeigt sich etwa in dem Riesenerfolg des Buches „Digitale Demenz“, in dem der deutsche Psychiater Manfred Spitzer warnt, dass digitale Medien der Entwicklung des Gehirns und soziale Netzwerke der Entwicklung der Sozialkompetenz schaden würden. Spitzers Thesen blieben aber nicht unwidersprochen und wurden mit teilweise wütender Kritik belegt: vor allem deshalb, weil er den Computer in Bausch und Bogen verdammt.

Verbote sind sinnlos

Realistisch veranlagte Eltern werden zugeben, dass Dogmen im Fall digitaler Medien reine Zeitverschwendung sind. Erstens kommen Kinder in einem immer jüngeren Alter über die Schule mit Computern in Berührung. Und zweitens finden Kinder, die zu Hause nicht spielen oder fernsehen dürfen, so gut wie immer Freunde, bei denen das sehr wohl erlaubt ist. Mit dem Zusatzmalus, dass Verbotenes besonders attraktiv ist.

Davor warnen auch Fachleute für Medienbildung. Mehr Wissen über diesen Bereich würde Eltern einerseits die Angst vor Angeboten nehmen, die sie nicht kennen, beziehungsweise sie sicherer machen, wenn sie ein Verbot dann tatsächlich aussprechen. Auf jeden Fall empfehlen Experten, Bildschirme nicht mit Babysittern zu verwechseln und Kinder damit nicht allein zu lassen, um problematische Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und die Entstehung einer Parallelwelt zu verhindern.

Alarm! Unruhe beim Abendessen

Die Ratschläge, die in diesem Zusammenhang erteilt werden, sind mitunter allerdings von zweifelhafter Qualität. Da wird zum Beispiel als ein Indiz für beginnende Bildschirmsucht gewertet, wenn das Kind beim Abendessen unruhig hin und her rutscht. Besser wäre es, die Medienbildung für Kinder und Eltern zum Pflichtfach zu machen. Dass digitale Medien in Zukunft weniger genutzt werden, ist so gut wie ausgeschlossen. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, Eltern und Kinder im Umgang damit möglichst gut zu schulen.

Ratschläge

Informieren.
Bei jüngeren Kindern versteht sich's von selbst, aber auch bei den größeren sollten Eltern die Inhalte der Spiele kennen.

Teilnehmen.
Die Kinder nicht allein spielen lassen, sondern entweder gemeinsam mit den Eltern oder mit Freunden. Verhindert das Abtauchen in eine Parallelwelt und fördert Kooperation.

Reglementieren.
Jüngeren Kindern ein Zeitbudget vorgeben, mit den älteren eines ausverhandeln und sie an Selbstregulierung gewöhnen. Computer und Fernseher im Wohnzimmer lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

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