Wie gut sind heimische Kindergärten?

KARMASIN
KARMASIN(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Familienministerin Sophie Karmasin attackiert Wien, Betreuungsqualität von Kindern in Wien sei unterdurchschnittlich. Vergleichbare Zahlen fehlen.

Wien. Welches Bundesland hat den besten Kindergarten? Welches den schlechtesten? Das wird seit Mittwoch erbittert diskutiert – nachdem Familienministerin Sophie Karmasin (VP) und Wiens Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP) aneinandergeraten sind.

Auslöser waren Angriffe von Karmasin am Mittwoch: Die Betreuungsqualität von Kindern in Wien sei unterdurchschnittlich, verkündete Karmasin. Bei den unter Dreijährigen müsste eine Betreuerin in Wien auf acht Kinder aufpassen. In Vorarlberg nur auf die Hälfte davon. Bei den über Dreijährigen in Wien müsste sich eine Betreuerin um 17 Kinder kümmern, in Tirol dagegen um nur zehn. Das Fazit von Karmasin, die sich dabei auf die Kindertagesheimstatistik beruft: Wien sei bei der Betreuung von Kindern „am unteren Ende“ im Bundesländer-Ranking, müsste die Betreuungsqualität ausbauen.

Bildungsstadtrat Oxonitsch reagierte irritiert: Der Betreuungsschlüssel in Kinderkrippen (bis Dreijährige) sei ähnlich wie in Vorarlberg – eine Betreuerin müsse sich statistisch gesehen nur um 4,3 Kinder kümmern. „Wien übererfüllt freiwillig die gesetzlichen Vorgaben“, heißt es im Oxonitsch-Ressort – das hätte das Ministerium nicht eingerechnet. Wobei das Wiener Bildungsressort nachsetzt: Vorarlberg, das von Karmasin als Vorbild genannt werde, habe die schlechtesten Kindergartenöffnungszeiten Österreichs: Die Hälfte der Kindergärten sei nur halbtags in Betrieb, nicht wenige würden sogar über Mittag zusperren. Dazu komme, dass Wien als einziges Bundesland das Barcelona-Ziel nicht nur erreiche (Betreuungsplätze für 33 Prozent der unter Dreijährigen), sondern mit 34 Prozent sogar übererfülle. Seitens des Familienministeriums dagegen heißt es: Das schlechte Betreuungsverhältnis könne Wien nicht wegreden.

„Länder nicht vergleichbar“

Es läuft also ein politischer Zahlenstreit mit der Kernfrage: Ist Wien das Bundesland mit der besten oder mit der schlechtesten Kinderbetreuung? Die Antwort auf diese (eigentlich) einfache Frage ist derart komplex, dass sogar die Experten der Statistik Austria davor kapituliert haben. Es gebe neun unterschiedliche Bundesländerregelungen, es gebe unterschiedliche Berechnungen der Länder, viele verschiedene Definitionen und anders erhobene Daten – und das alles sei überhaupt nicht vergleichbar, weshalb die Statistik Austria dies auch nicht mache, heißt es dort.

Ein Beispiel: Das Betreuungsverhältnis (Kinder pro Pädagogin) sagt nichts aus. Zwei Halbtagspädagoginnen entsprechen der Arbeit einer Ganztagspädagogin. Statistisch gesehen erhöhten die zwei Halbtagskindergärtnerinnen aber das Betreuungsverhältnis. Bei der Bewertung der Gruppengröße zählt keine Zahl, sondern wie viele Kinder gleichzeitig da sind, wie viele nur stundenweise bzw. ganztags den Kindergarten besuchen.

Daten der Länder seien nicht vergleichbar und würden nichts über die Betreuungsqualität aussagen, kritisiert Bildungsexpertin Heidemarie Lex Nalis (Plattform EduCare). Zu Vorarlberg, das von Karmasin als Musterbeispiel genannt wurde, meint Lex-Nalis: „Ich habe noch nie gehört, dass Vorarlberg so gut sein soll. Die haben die geringste Bezahlung für Pädagogen und die schlechtesten Öffnungszeiten.“ Es sei gerade die Aufgabe von Karmasin, ein Gesetz zu machen, damit die Daten der Bundesländer endlich vergleichbar sind. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)

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