Spionageaffäre: USA kritisieren deutschen "Wutanfall"

PUS-Regierung verstimmt über deutsches Vorgehen in Spionageaffäre
PUS-Regierung verstimmt über deutsches Vorgehen in Spionageaffäre imago/UPI Photo
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Der Rauswurf des obersten US-Geheimdienstlers sei "schlichtweg nicht wie die Reaktion eines Erwachsenen", meint der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus.

Die US-Regierung hat mit deutlicher Verstimmung auf die harsche Kritik aus Berlin wegen mutmaßlicher Spionagefälle reagiert. Das Thema solle nicht offen über Medien, sondern intern zur Sprache gebracht werden, forderte ein Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Freitag. "Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien."

Zudem gab es scharfe Worte von US-Abgeordneten. Der Rauswurf des obersten Geheimdienst-Vertreters in Berlin sei ein "Wutanfall" der deutschen Regierung, meinte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers. Die deutsche Regierung hatte am Donnerstag als Reaktion auf mutmaßliche Ausspähaktionen den obersten Geheimdienstler der Amerikaner in Berlin aufgefordert, Deutschland zu verlassen.

"Das ist Etwas, was wir von den Russen, den Iranern und Nordkoreanern erwarten, nicht etwas, was wir von den Deutschen erwarten", sagte der Republikaner Rogers dem TV-Sender CNN am Freitag. Die US-Geheimdienste hätten den deutschen Diensten Informationen geliefert, die das Leben von Deutschen gerettet hätten.

"Nicht wie die Reaktion eines Erwachsenen"

Der Rauswurf des CIA-Mannes "scheint schlichtweg nicht wie die Reaktion eines Erwachsenen". Gleichzeitig warf Rogers den Deutschen praktisch vor, iranische und russische Top-Spione im Land zu tolerieren. "Ich sehe kein Interesse, diese Chefs rauszuwerfen."

Auch gab es erstmals scharfe Kritik an Berlin in US-Medien. In einem Kommentar in der Zeitung "Wall Street Journal" war von "gekünstelter Empörung" die Rede. Deutschland wisse, dass auch befreundete Staaten sich gegenseitig ausspionieren, schrieb die einflussreiche Zeitung.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind angespannt. US-Präsident Barack Obama habe seit über einer Woche nicht mehr mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gesprochen, bestätigte Eranest am Freitag. Allerdings gibt es erste Aussichten auf Gespräche. US-Außenminister John Kerry werde am Rande der Wiener Atomgespräche am Sonntag seinen deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier treffen. Dieser plädierte für einen Neuanfang in den Beziehungen zu den USA. "Wir wollen unsere Partnerschaft, unsere Freundschaft auf ehrlicher Grundlage neu beleben."

Deutscher Justizminister sieht Freihandelsabkommen gefährdet

Der deutsche Justizminister Heiko Maas sieht unterdessen wegen der Spionageaffäre das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gefährdet. "Wir brauchen für ein solches Abkommen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung in Deutschland. Und die läuft uns im Moment wegen der Spionageaffäre davon", sagte der SPD-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag). Das müsse die Regierung in Washington verstehen. Führende Ökonomen warnten hingegen davor, das Abkommen nun infrage zu stellen.

Die Bundesanwaltschaft in Deutschland ermittelt derzeit gegen einen mutmaßlichen Spion im Verteidigungsressort, der US-Geheimdienstler mit Informationen versorgt haben soll. Bisher gibt es demnach aber anders als bei dem in der vergangenen Woche enttarnten mutmaßlichen Doppelagenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) keine Grundlage für einen Haftbefehl.

Aus US-Regierungskreisen hieß es diesbezüglich, dass der angebliche Spitzel aus dem Verteidigungsministerium nicht in Kontakt mit dem US-Geheimdienst gestanden sein soll, sondern viel mehr mit dem US-Außenministerium. Dabei habe es sich eher um eine Freundschaft zwischen dem Ministeriumsmitarbeiter und seinem Kontakt auf US-Seite gehandelt, so ein mit dem Fall betrauter Regierungsvertreter am Freitagabend.

(APA/dpa)

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