Sommerfestspiele: Das Ende des Booms

FOTOPROBE OPERNFESTSPIELE ST. MARGARETHEN: 'AIDA'
FOTOPROBE OPERNFESTSPIELE ST. MARGARETHEN: 'AIDA'APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Boom der riesigen Inszenierungen ist vorbei – St. Margarethen musste Konkurs anmelden, in Mörbisch schwinden die Besucher. Andere Sommerfestspiele halten sich indes besser – wenn auch in kleineren Nischen.

Am Mittwoch sind sie dann doch alle gekommen. Die Minister, die prominenten Gesichter aus der Kulturszene, und die aus den Seitenblicken. Ist die Premiere in St. Margarethen doch eines der gesellschaftlichen Großevents des Hochsommers. Tags darauf, in Mörbisch, sah es ähnlich aus. Aber das Bild trügt. Die großen Sommerfestspiele, die Mega-Inszenierungen, sie haben ihre Zugkraft verloren. Die Besucher werden seit Jahren weniger, die wirtschaftlichen Probleme mehr.

Erst in der Woche vor der Premiere mussten die Opernfestspiele St. Margarethen ihre Insolvenz bekannt geben. Die heurige Spielsaison ist zwar gesichert und auch für 2015 gibt es eine Auffanggesellschaft. Gründe für die Schieflage im Steinbruch gibt es viele – von Millionenschulden bis zu angeblichen Konflikten zwischen Opernfestival und den Steinbrucheigentümern Esterházy bis zum teuren Engagement Robert Dornhelms ist die Rede. Aber hinter all den Spekulationen steht ein Fakt: Der Boom ist vorbei. Voriges Jahr haben sich 115.000 Besucher „La Boheme“ angesehen, bei „Carmen“ 2012 waren es 117.000. Noch vor wenigen Jahren sind im Sommer 190.000 Besucher zu den Opernfestspielen in den Steinbruch gekommen. Ähnlich sieht es in Mörbisch aus, dort waren es voriges Jahr knapp 120.000 Besucher, einst waren es auch dort um die 200.000. Die Kapazitäten wurden infolge des Booms ausgebaut – heute gelten die Spielstätten als überdimensioniert.


Inflation der Festivals und Theater. Woran liegt es, dass die einstigen Publikumsmagneten ihre Zugkraft verloren haben? Zum einen gibt es da eine Inflation an Sommerfestivals. Allein im Burgenland sind es heuer knapp 20. „Ja, es gibt eine Übersättigung. Im Großraum Wien, in ganz Niederösterreich, aber auch im Burgenland“, sagt Karl Wessely, Direktor bei den Esterházy-Betrieben und damit Eigentümervertreter in St. Margarethen. Dazu komme, dass es in Wien für Touristen ohnehin Kultur en masse gebe und man mehr unternehmen müsse, um diese ins Burgenland zu locken.

Außerdem wandle sich die Besucherstruktur: „In St. Margarethen sind besonders die Busreisenden weniger geworden“, sagt Wessely. Aber auch die Kurzurlauber fehlen. Jene, die vor wenigen Jahren jeden Sommer drei, vier Tage ins Burgenland gekommen sind: einen Tag Margarethen, einen Tag Mörbisch, einen Tag See oder Therme – meist als Zweiturlaub. „Seit 2008 hat sich das deutlich reduziert. Man verzichtet krisenbedingt auf den zweiten Urlaub“, beobachtet Wessely. Auch in Mörbisch nennt man, wenn es um die Ursachenforschung der Flaute geht, gern die Wirtschaftskrise und das darausfolgende Sparen, gerade bei den Ausflugsgästen. In Kulturkreisen mutmaßt man aber, dass Intendantin Dagmar Schellenberger auch die Zugkraft ihres Vorgängers Harald Serafin fehlt, auch wenn der Trend schon zu dessen Zeit nach unten gezeigt hat. Serafin hat sich zwar mit seinen polternden Auftritten und seiner Society-Präsenz nicht nur Freunde gemacht, aber immerhin für Bekanntheit gesorgt. Dazu kommt ein Generationenwechsel: „Die Operette wird von der jüngeren Generation nicht mehr so goutiert“, heißt es vom Burgenland-Tourismus. Und beim älteren Publikum beobachte man einen Sättigungseffekt: immer wieder ähnliche Stücke, die ähnliche Zielgruppen ansprechen. Für heuer gibt man sich sowohl in Mörbisch als auch in St. Margarethen zuversichtlich: Der Verkauf laufe gut, man sei optimistisch, dass der Abwärtstrend vorbei sei, heißt es vom Neusiedler See. „Es geht bergauf, wir liegen beim Verkauf 20 bis 25 Prozent über 2013“, berichtet Wessely. Allerdings wird mit der „Aida“ eine zugkräftige Oper gespielt. „Es gibt einen Kanon von drei Opern, „Aida“, „Nabucco“ und „Die Zauberflöte“, die immer deutlich mehr Zuschauer haben. Man kann sie allerdings nur alle zehn bis zwölf Jahre spielen“, sagt Wessely.

Dieser sicheren Bank verdankt man auch in Bregenz eine zuletzt, nach Rückgängen zuvor, recht positive Bilanz 2013. Obwohl auch heuer wieder „Die Zauberflöte“ auf dem Programm steht, ist die wirtschaftliche Lage aber angespannt. Festspielpräsident Hans-Peter Metzler macht immer wieder darauf aufmerksam, dass die Festspiele drastisch unterdotiert seien, zuletzt sprach er von einer „skandalösen Benachteiligung“ gegenüber anderen Festspielen (siehe oben).

In Kärnten war, angesichts der budgetären Situation und fehlender Subventionszusagen, lange unklar, ob der Carinthische Sommer heuer überhaupt stattfinden kann. Gestern wurde er eröffnet, und die Erwartungen seien positiv, sagt Markus Siber vom Carinthischen Sommer. Zuvor waren die Besucherzahlen ebenfalls lange rückläufig, 2013 waren es 14.000, zehn Jahre zuvor noch rund 40.000.

„Die Vielfalt hilft.“ Zuversichtlich sind die Theaterleute auch in Niederösterreich: Obwohl beim Theaterfest Niederösterreich, dem Zusammenschluss von 23 Sommertheaterbühnen, 2013 ein Besucherminus gezählt wurde, zeigt sich der Vorsitzende Werner Auer optimistisch. Die Felsenbühne Staatz, die er leitet, sei seit Wochen ausverkauft. Dem Stadttheater Berndorf gehe es sehr gut, auch Amstetten, wo bereits Zusatzvorstellungen für „Flashdance“ angesetzt wurden, sei erfolgreicher als 2013. Ein Risiko bleibt aber, das Wetter, denn die größten Spielorte sind Open Air. Gespannt ist Auer auch, ob die Insolvenz in St. Margarethen Auswirkungen auf andere Festspiele haben wird. Gerade die Opernproduktionen des Theaterfests könnten von den Burgenländer Besuchern profitieren. „Wir werden jetzt aber nicht wie die Aasgeier über St. Margarethen kreisen. Wir wünschen ihnen, dass sie sich fangen.“

Aber das Theaterfest hat laut Auer noch einen Vorteil: Es ist thematisch breit aufgestellt. Mit Produktionen von Musical bis zur Oper sei man „nicht so eingeengt wie die Big Player im Burgenland. Die Vielfalt ist das, was uns hilft“, sagt Auer. Er hofft auf Stammpublikum – und das kommt nicht nur wegen des Theaters. Laut Land NÖ komme jeder Euro, der in Kultur investiert wird, etwa über Nächtigungen oder Gastronomie, vierfach zurück.

Die Umsätze durch Kulturtouristen bereiten nun auch Sorgen: Im Burgenland macht der Besucherschwund ein Umdenken notwendig. Im Hochsommer sei der Anteil der Festspielgäste am Sommertourismus „ganz wesentlich“, sagt Ulrike Tschach-Sauerzopf vom Burgenland-Tourismus. Ein Gast in Mörbisch bringe 1,8 bis zwei Übernachtungen am See – aber die Aufenthaltsdauer wird kürzer, die Gäste weniger. Während die großen Bühnen zuletzt Besucher verloren haben, gewinnen die kleineren Festivals im Mittel- und Südburgenland: Raiding, Kobersdorf, Lockenhaus oder Jennersdorf.

Umdenken im Tourismus. Trotzdem: Beim Burgenland-Tourismus geht man davon aus, dass der Boom der Festivals dauerhaft vorbei sei, und so ändert man das Konzept. Der Fokus liegt auf einer längeren Saison, Kulinarik, Wein, auf Golfern, Radfahrern oder Natururlaubern, sagt Tschach-Sauerzopf. Dass die Flaute nicht gleich wieder vorbeigeht, diese Einschätzung teilt man auch bei den Esterházy-Betrieben: „Wir haben die Talsohle erreicht“, sagt Wessely.

Aber, um große Zuwächse zu schaffen, seien Investitionen in die touristische Infrastruktur, etwa den Ausbau von Vier- und Fünfsternebetrieben, notwendig. „Entwickelt sich die Infrastruktur nicht weiter, werden wir nicht zum Boom zurückkehren“, sagt er. Kürzer treten will man im Steinbruch aber nicht: „Margarethen steht für die große Inszenierung. In der Situation, vor der wir nun stehen, werden sich nur die Besten durchsetzen“, sagt Wessely. Und so wurde jüngst, anlässlich der Premiere, bekannt, dass Hollywood-Export Dornhelm auch 2015 bleibt und dann Puccinis „Tosca“ inszenieren wird.

Überblick

Für die insolventen Opernfestspiele St. Margarethen gab es kein Geld aus Fördertöpfen, für die Seefestspiele Mörbisch immerhin 52.000 Euro vom Land.

Das Theaterfest Niederösterreich bezieht 2,8 Millionen Euro vom Land, die einzelnen Bühnen bekommen zusätzlich Gemeinde- und teilweise Bundesgelder. Die Festspiele Reichenau bekommen 440.000 Euro Landesförderung.

Die Salzburger Festspiele erhalten 13,5 Millionen Euro (plus zusätzliche 2,5 Millionen ab 2015) aus öffentlicher Hand, die Bregenzer Festspiele 5,7 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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