Geburtenrate: Karmasin setzt auf mehr Krippen

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Ministerin Karmasin vollzieht einen Paradigmenwechsel. Sie setzt mehr Sachleistungen statt direkter Zahlungen ein, um die Geburtenrate zu erhöhen.

Wien. Was brauchen Familien nötiger: Geld- oder Sachleistungen? Diese Frage spaltet die Regierungsparteien seit Jahren. Neuen Diskussionsstoff bietet dabei eine Studie des Österreichisches Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), die Familienministerin Sophie Karmasin (parteilos, aber von der ÖVP ernannt) in Auftrag gegeben hat.

Das Ergebnis: Obwohl Österreich überdurchschnittlich viel Geld für Familienpolitik ausgibt, ist die Geburtenrate verhältnismäßig niedrig. In Ländern, die auf ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistungen setzen, ist die Fertilitätsrate höher.
Völlig überraschend ist diese Erkenntnis nicht. Durchaus bemerkenswert ist aber die Konsequenz, die Ministerin Karmasin aus den Studienergebnissen zieht: Zusätzliche Mittel für Familien werde es nur noch als Sachleistung geben, erklärte sie am Dienstag im ORF-Radio. Und das, obwohl die ÖVP immer eher den Fokus auf Geldleistungen legte.

Die Trendwende in diesem Bereich wurde laut Karmasin bereits zu Beginn der Legislaturperiode eingeleitet: Die Regierung beschloss, 300 Millionen Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren. Die Ministerin ortet einen „Paradigmenwechsel in der österreichischen Familienpolitik“.

In Zukunft solle es jedenfalls eine Neuaufteilung der Investitionen geben: Jeweils die Hälfte der Mittel werde in Geld-, die andere Hälfte in Sachleistungen fließen. Derzeit werden laut Wifo 80 Prozent des Budgets in diesem Bereich für Geldleistungen aufgewendet.

Dieses Verhältnis mache sich – so das Fazit der Studie – bei der Geburtenrate bemerkbar: Obwohl drei Prozent des BIPs für Familienleistungen ausgegeben werden, liegt die Geburtenrate nur bei 1,45 Kindern pro Frau. In Deutschland ist es ähnlich. Länder wie Frankreich oder Dänemark werden hier als Vorbild gesehen: Ersteres investiert knappe vier Prozent des BIPs in den Familienbereich und weist eine Fertilitätsrate von 2,1 Kindern pro Frau auf. In Dänemark sind es 3,9 Prozent bzw. 1,73 Kinder pro Frau. Dabei konzentriert sich die Politik vor allem auf Direktleistungen (siehe Grafik).

In Dänemark gehen außerdem – wohl als Folge der guten Kinderbetreuung – weit mehr als die Hälfte der unter Dreijährigen (67 Prozent) in Krippen oder zu Tagesmüttern. In Frankreich werden 40 Prozent der Kleinkinder außer Haus betreut. In Österreich sind es hingegen nur 14 Prozent. Vielen Eltern könnte durch fehlende Einrichtungen der Wiedereinstieg ins Berufsleben erschwert werden.

Schlecht steht es in Österreich auch bei der Aufteilung unbezahlter Familienarbeit zwischen Frauen und Männern: Das Verhältnis beträgt zwei zu eins, während Schweden und Dänemark als Vorbilder schon sehr nahe an einem ausgeglichenen Verhältnis sind.

Unterstützung von SPÖ

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) begrüßte am Dienstag Karmasins Pläne. Die Grünen sahen sich in ihrer Forderung nach einer Umschichtung von Geld- und Sachleistungen ebenfalls bestätigt.  Unverständlich hingegen sei die Ausweitung der steuerlichen Entlastung, die Karmasin in einem zweiten Schritt auch überlegt. Denn von Absetz- und Freibeträgen würden nur einkommensstärkere Familien profitieren, erklärte Sozialsprecherin Judith Schwentner in einer Aussendung.

Die Industriellenvereinigung drängt außerdem auf eine Reform der Familienleistungen: Das Modell müsse einfacher werden und soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den drei Säulen Transfer, Kinderbetreuung und Steuererleichterungen herstellen, betonte Vize-Generalsekretär Peter Koren. Um die Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen zu erhöhen, forderte er außerdem bundeseinheitliche Rahmenbedingungen und Standards.

Unterstützung bekam Karmasin auch von den Neos. Die Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger ortete im Ö1-„Mittagsjournal“ allerdings auch eine Verantwortung bei den Ländern und Bürgermeistern. Denn zuletzt habe man gesehen, dass es schwierig sei, Betreuungsplätze zu schaffen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlauben.

Kritik kam hingegen von den Freiheitlichen: Die Aussagen Karmasins seien noch zu unpräzise. Aber nicht nur – aus Vorarlberg meldete sich ein ÖVP-Mitglied zu Wort: Laut Familienlandesrätin Greti Schmid (ÖVP) ist Karmasin auf einem „falschen Weg“. Moderne Familienpolitik bedeute, Familien ideell, finanziell und strukturell zu unterstützen. (ib/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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