Fischler: „Schüssel war der Letzte, der ÖVP-Profil entwickelt hat“

Franz Fischler
Franz Fischler(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Ex-EU-Kommissar (ÖVP) und Präsident des Forums Alpbach glaubt nicht, dass Mitterlehner die Partei verändern wird.

Die Presse: Anfang August sahen Sie Michael Spindelegger „relativ fest im Sattel“. Nun trat er zurück.

Franz Fischler: Aber niemand hat ihn „zurückgetreten“. Das traditionelle Sägen am Sessel des Parteichefs hatte bereits eingesetzt. Es war aber nicht zwingend nötig, dass der Rücktritt gerade jetzt stattfand.

Wie lange hat denn Reinhold Mitterlehner Schonfrist?

Ich sehe keinerlei Anzeichen, dass die ÖVP bereit wäre, sich so zu wandeln, dass diese bekannten Praktiken auf alle Zeit aufhören. Jetzt muss Mitterlehner aber erst einmal Fuß fassen – da wird zunächst immer „eitel Wonne“ gespielt. Wenn es auf die nächste Wahl zugeht, wird es wieder Debatten geben.

Mitterlehner ist nicht der Mann, der die ÖVP verändern wird?

Das ist müßig zu diskutieren. Man sollte lieber darüber reden, wie er die Chance nützen wird, mit dem Regierungspartner Projekte anzugehen – etwa die Steuerreform. Die Regierung als Ganzes steht nicht gerade in einem guten Licht da.

Soll man der SPÖ bei der Steuerreform entgegenkommen – Stichwort Vermögensteuern?

Es geht nicht um Zugeständnisse, sondern man muss sich zusammensetzen und eine Entscheidung treffen. Wenn jeder seine eigene Suppe kocht und man die dann zusammenschüttet, wird eine ungenießbare Sache rauskommen. Zusammensetzen heißt nicht, dass jede Seite hundert Mal ihre Forderungen wiederholt. Das bringt nichts.

Soll man die Reform vorziehen?

Die Steuerreform hat sicher eine hohe Priorität, aber es geht nicht um eine schnelle, sondern eine tiefer gehende Reform. Dann verstehen die Leute auch, dass das länger braucht.

Sie haben die „bekannten Praktiken“ der ÖVP erwähnt. Sind die ein ÖVP-Naturgesetz oder kann das Spiel durchbrochen werden?

Das würde sich nur ändern, wenn man die ÖVP fundamental ändert. Aber einerseits ist in der bürgerlichen Gesellschaft der Individualismus sehr stark ausgeprägt, andererseits gibt es den Wettbewerb zwischen den Bünden bzw. zwischen Bund und Ländern. Man glaubt, dass man diese strukturellen Probleme, die die ÖVP schon lange hat und die immer größer werden, mit Personalentscheidungen lösen kann. Aber das geht nicht. Wenn man nicht bereit ist, die strukturellen Probleme aufzubrechen – und dazu sehe ich wenig Bereitschaft –, wird es so weitergehen wie in den letzten zwanzig, dreißig Jahren.

Was müsste man machen?

Wenn diese Problematik nicht so schwierig wäre, hätte man schon angefangen, sie zu lösen. Da geht es an das Konstitutive der Partei: Auf der einen Seite ist das Problem, dass die Kernwählerschaften, die durch die Bünde repräsentiert werden, kleiner werden. Das bringt einen Bedeutungsverlust. Aber was macht man? Man wirft es dem Obmann vor. Der kann aber nichts dafür, dass die Zahl der Bauern zurückgeht.

Und auf der anderen Seite..

...haben in Wirklichkeit die Länder das Sagen. Sie sitzen an den Geldhähnen und können so die Bundespartei steuern. Gleichzeitig ist es logisch, dass die Landeshauptleute, die in der Pflicht ihrer Wähler stehen, die Bundespartei für ihr Länderlobbying benutzen wollen. Dadurch schwächen sie, gewollt oder ungewollt, die Bundespartei. Die Konstruktion ist Teil des Problems und das macht es nahezu unmöglich, ein Parteiprofil zu entwickeln. Der Letzte, der ein Profil entwickelt hat, war Wolfgang Schüssel. Seither ist da wenig Profil zu sehen.

Hätte man besser Strukturen diskutieren sollen, als sich schnell auf einen Obmann zu einigen?

Man hätte einen Moment innehalten und nachdenken sollen, was man will. Andererseits: Wenn ein Parteiobmann seine Ämter zurücklegt, muss man reagieren. Ein interimistischer Parteivorstand wäre nicht praktikabel gewesen.

Unterstützen Sie den Vorschlag einer Urabstimmung, damit der Obmann breiten Rückhalt hat?

Ich glaube nicht, dass eine Urabstimmung automatisch breiten Rückhalt bringt. Und wenn man schon eine Urabstimmung macht, dürfte man nicht nur über einen Namen, sondern müsste auch über ein Programm abstimmen – das kein Kandidat so schnell erstellen kann. Der soll das ja nicht daheim im Wohnzimmer schreiben, sondern das muss vorher breit diskutiert werden. Insofern hat man ein Henne-Ei-Problem.

Dem Vernehmen nach hätte Sebastian Kurz den Obmannposten gerne übernommen, hätte man ihm eine Carte Blanche für Reformen gegeben. Hätten Sie ihm zugetraut, die ÖVP zu ändern?

Die Carte Blanche gibt es halt einfach nicht. Ich habe viel Sympathie für Sebastian Kurz, aber ich denke, dass diejenigen recht haben, die sagen, man hätte ihn damit kaputt gemacht.

Mitterlehner war die richtige Wahl?

Er ist gewählt, Punkt, aus.

War es schlau, dass er nicht Finanzminister wird?

Ich bin nie davon ausgegangen, dass er das will. Das Finanzministerium ist sicher das arbeitsintensivste, daher habe ich volles Verständnis für seine Entscheidung.

Auch wegen der Hypo-Bilanz?

Da sehe ich keinen Zusammenhang. Die Causa muss sowieso die Regierungsspitze entscheiden.

Wer sollte das Finanzministerium übernehmen?

Ich spekuliere nicht.

Es fällt auf, dass das Forum Alpbach oft mit ÖVP-Umbrüchen zusammenfällt. Nervt Sie das?

Ich bin froh, dass es diesmal nicht in Alpbach passiert ist. Aber der August scheint für Krisen anfällig zu sein. Ich erinnere mich an meine Zeit in Brüssel: Immer im August, wenn die Kommission zugesperrt war, sind die Probleme ausgebrochen. Aber vielleicht ist das auch nur mein Aberglaube.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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