Familienpolitik: Sophie Karmasins zweite Chance

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Sophie Karmasin will die Familienpolitik der ÖVP modernisieren und Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas machen. Nun holt sie sich Tipps aus Dänemark.

Wien. Es liegt noch nicht einmal ein Jahr zurück, da wurde Sophie Karmasin als Joker präsentiert. Als Familienministerin sollte sie der ÖVP ein moderneres Image verpassen. Das wünschte sich der damalige Parteichef, Michael Spindelegger, so. Richtig arbeiten ließ man Karmasin dann aber nur selten. Zu oft ging sie für den Geschmack der Volkspartei mit ihren Vorschlägen zu weit.

Nun heißt der Parteiobmann nicht mehr Spindelegger, sondern Reinhold Mitterlehner. Er setzt weiter auf Karmasin. Und mit ihm steigen offenbar die Chancen, eine modernere Familienpolitik zu gestalten.

Gute Vorzeichen für Karmasins Politik. Sie hat – wie sie gestern, Donnerstag, zeigte – kein Interesse, von ihrer Linie abzurücken, und nimmt einen zweiten Anlauf. Bei dem von ihr initiierten Symposium mit dem Titel „Herausforderungen einer modernen, nachhaltigen Familienpolitik“ betonte sie einmal mehr, dass sie Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas machen wolle. Als Vorbild hat sie Dänemark auserkoren – nicht gerade für konservative Töne in der Familienpolitik bekannt. Der dänische Staatssekretär, Jesper Zwisler (siehe Artikel unten), war nicht nur zur gemeinsamen Pressekonferenz geladen, sondern durfte in einem Vortrag die dänische Familienpolitik vorstellen. „Davon können wir einiges lernen“, sagte Karmasin. Die Ansatzpunkte im Überblick:

► Kinderbetreuung: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt in Dänemark besonders gut. Das hat mit dem gut ausgebauten Betreuungssystem zu tun. Ab dem sechsten Monat gibt es für Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Ein Konzept, das laut Karmasin in Österreich derzeit keine Chance hat. „Da sind wir einfach in Österreich kulturell noch sehr weit weg.“ Während Österreich versucht, eine  Betreuungsquote von 33 Prozent bei den unter Dreijährigen zu erreichen, besuchen in Dänemark 91 Prozent der Ein- bis Zweijährigen eine Betreuungseinrichtung.

Arbeitsmarkt: „Familien müssen nicht jobgerechter, sondern Unternehmen familiengerechter werden“, sagt Ministerin Karmasin. Auch da liebäugelt sie mit Dänemark. Dessen Staatssekretär erzählt von Ministerien, deren Büros um 17 Uhr schließen, von Firmen, die den Eltern einen Tag Homeoffice zugestehen, bis hin zu Unternehmen, in denen Mitarbeiter mit Kindern in einer Woche mehr und in der nächsten deutlich weniger als die üblichen 37 Stunden arbeiten können. Vor allem diese „Flexibilität“ sei attraktiv, so die Ministerin.

Stereotype: Um Österreich zum familienfreundlichsten Land zu machen, müsse sich aber auch das gesellschaftliche Bild verändern. Egal, wie Familien leben, der Staat müsste die Rahmenbedingungen schaffen und sollte die Lebensformen nicht bewerten, so das Plädoyer Karmasins.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2014)

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