Migranten-Kinder: 77 Prozent haben Sprachprobleme

(c) EPA (Robin Townsend)
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Migranten und arme Menschen haben "massive Einstiegsprobleme ins Bildungssystem", sagte Bildungs-Experte Haider. Nur wer sich den Kindergarten leisten kann, holt Defizite auf.

77 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund haben vor Eintritt in die Volksschule Sprachdefizite. Das ist ein Ergebnis der Sprachstandsfeststellung, die Günter Haider vom Bundesinstitut für Bildungsforschung bei einem Symposium der Arbeiterkammer präsentiert hat.

Bei der Erhebung wurden in diesem Jahr die Deutschkenntnisse von 25.000 Vier- bis Fünfjährigen untersucht. Haiders Schluss: Ein verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten künftig im Schulsystem nicht mehr diskriminiert werden.

Kindergarten oft zu teuer


Während Vierjährige, die den Kindergarten besuchen, 23 Prozent Förderbedarf haben, seien es unter jenen, die daheim betreut werden, 51 Prozent. Unter Kindergartenkindern mit deutscher Muttersprache haben überhaupt nur neun Prozent Sprachdefizite. Es gebe für Migranten und Arme "massive Einstiegsprobleme ins Bildungssystem", sagte Haider. Zwar besuchten in Österreich insgesamt 93 Prozent der Fünfjährigen den Kindergarten. Aber gerade Eltern, die keinen oder nur einen Pflichtschulabschluss haben, würden ihre Kinder - oft auch aus finanziellen Gründen - nicht in den Kindergarten schicken.

Das habe, so Haider, auch Langzeitfolgen: In der weiteren Schullaufbahn werden 43 Prozent derer, die keinen Kindergarten besucht haben, zu Risikoschülern mit schlechter Lese- und Schreibkompetenz. Am Ende der Volksschule, sagte Haider, hinkten jene Kinder bei der Lesekompetenz um eineinhalb bis zwei Jahre hinterher. "Das zeigt, dass das Bildungssystem an dieser Stelle versagt hat."

"Standesdünkel" bei Gesamtschule

Bernd Schilcher, der ehemalige Leiter der Expertenkommission zur Schulreform, hielt am Symposium ein Plädoyer für die Gesamtschule: "Wenn es an der Zeit ist, dass die USA einen schwarzen Präsidenten wählen, sage ich: Es ist auch an der Zeit, dass die Klassen- und Standesgrenzen in Österreich gesprengt werden". Dass es diese in Österreich noch nicht gibt, habe "ausschließlich Standesgründe. Es wird derzeit ausgewählt nach sozialer Klasse, Prestige und Bildungsabschluss der Eltern."

Für Schilcher biete das Schulsystem Kindern aus bildungsfernen Schichten derzeit wenig Aufstiegsmöglichkeiten. So sei es unerlässlich, Kindern mit Migrationshintergrund systematisch muttersprachlichen Unterricht anzubieten. Damit diese das Angebot des Kindergartenbesuchs wirklich nutzen, müsse dieser gratis sein. "Seit in Kärnten das letzte Kindergartenjahr gratis ist, gibt es dort 33 Prozent mehr Kinder. Und die kommen vor allem aus Migrantenfamilien", sagte Schilcher.

(APA/Red.)

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