Euro-Krise: Athen will sich von Troika befreien

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Die Regierung in Griechenland will aus dem ungeliebten Hilfsprogramm aussteigen, doch Verhandlungen mit der Troika scheiterten vorerst. Am Donnerstag fand in Athen ein Generalstreik statt.

Athen. Griechisches Puzzle in drei europäischen Hauptstädten: Während in Paris vorerst Verhandlungen zwischen der Gläubiger-Troika und der Athener Regierung über Bewertung und Abschluss des laufenden Hilfsprogramms scheiterten, versuchten in London Vertreter der linken Opposition von Syriza, mit den Bankern der „City“ ins Gespräch zu kommen; und in Athen fand am Donnerstag der erste Generalstreik seit dem Frühjahr statt – gleichsam als Erinnerung, dass die Planspiele in den anderen Städten reale Konsequenzen auf Leben und Gesundheit der griechischen Bevölkerung haben.

Griechenland will das Hilfsprogramm mit der EU zum Ende des Jahres abschließen. Wenn aber die Bewertung bis dahin nicht abgeschlossen ist und das Programm auch nicht verlängert wird, dann müssten unausbezahlte Anleihen annulliert werden. Daher überlegt man nun eine „technische“ Verlängerung des Programms um wenige Wochen, wie sie von Athen bevorzugt wird oder eine von den europäischen Hauptstädten forcierte Verlängerung um bis zu sechs Monate.

Das Programm mit dem Internationalen Währungsfonds läuft erst 2016 aus, und wie Außenminister Evangelos Venizelos am Donnerstag betonte, wird Griechenland es nicht aufkündigen. Wo aber liegt der Knackpunkt der Verhandlungen? Abgesehen davon, dass die Regierung bei Strukturreformen wie der Liberalisierung und Öffnung von Märkten oder der weiteren Lockerung der Arbeitsgesetzgebung stark in Verzug ist, liegt das Hauptproblem im Budgetentwurf für das Jahr 2015. Für EU und IWF sind die Annahmen zu optimistisch, sie wollen vorbeugende Sparmaßnahmen in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro. Die Regierung streitet das ab und verweigert eine Korrektur.

Syriza vor Machtübernahme?

Für Ministerpräsident Antonis Samaras und seine Koalitionsregierung aus Konservativen und Sozialisten steht viel auf dem Spiel. In allen Umfragen liegt die Koalition mindestens fünf Prozent hinter der Linksopposition von Syriza, und Samaras hofft darauf, das untergehende Regierungsschiff durch den Ausstieg aus dem unpopulären Hilfsprogramm zu retten. Doch weder die Gläubiger noch die Märkte sind Samaras zur Zeit gewogen. Syriza sieht sich unter ihrem charismatischen und populistischen Chef, Alexis Tsipras, bereits kurz vor der Machtübernahme: Anlässlich der Wahl des griechischen Staatsoberhaupts will sie im März 2015 Wahlen erzwingen. Tsipras selbst hat seine Rhetorik in den letzten Monaten deutlich gemäßigt, nun haben hochrangige Vertreter der Partei selbst den misstrauischen Bankern der „City“ die Angst vor den Radikalen nehmen wollen.

Die Reaktionen in London deuten darauf hin, dass ihnen das nicht gelungen ist. Vorstellungen wie die Anhebung der Mindestlöhne und Pensionen, ein Privatisierungsstopp, der verstärkte Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB und die weitere Stundung der Zinszahlungen stießen auf wenig Gegenliebe.

In Athen gingen in einer großen Demonstration die vielen Verlierer der griechischen Schuldenkrise auf die Straße: „verfügbare“ Lehrer, die auf ihre endgültige Entlassung warten, Angestellte von Staatsbetrieben wie der Hafenbehörde von Piräus oder der griechischen Rüstungsindustrie, die sich gegen Privatisierungen sträuben, aber auch viele Studenten, die zur Zeit wenig Zukunft im Land haben.

Überraschend waren auch die Führungen der Handels- und der Gewerbekammern vertreten, die ihre Kassen vor der Zusammenlegung schützen wollen, aber vor allem im neuen Budget keine Wachstumsperspektiven erkennen und dabei wie die Troika die Wachstumsplanspiele der Regierung als zu optimistisch betrachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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