Spielen in Cliquen statt Banden

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Spielforscher Buland über Spiele und ihre Grenzen.

Wie wichtig ist es für Kinder, mit anderen Kindern zu spielen?

Rainer Buland: Sehr wichtig, vor allem, um das Sozialverhalten zu lernen. In den letzten Jahrzehnten hat diesbezüglich ein radikaler Wandel stattgefunden. Früher fanden sich Kinder zu Banden zusammen. Eine Bande ist der Zusammenschluss von Nachbarskindern aller Altersgruppen. Eine Bande kann aus Kindern und Jugendlichen bestehen, die dann eben in verschiedener Weise mitspielen, je nachdem, was sie bereits können.

Und heute?

Heute ist für Kinder und Jugendliche die Clique der entscheidende Bezugspunkt. In der Clique sind alle in derselben Altersgruppe und oft nach Geschlecht getrennt.

Früher wurde besser gespielt, heißt es oft.

Früher war doch alles besser. Spaß beiseite – was tatsächlich besser war: Es gab mehr Freiräume zum Spielen. Früher stand praktisch der gesamte öffentliche Raum für Kinder als Spielraum zur Verfügung – und natürlich die Natur. Was heute besser ist als früher, vor allem in den Städten: Es gibt viel mehr Angebote, wie Spielplätze mit spannenden Geräten, Spielbusse bringen Bewegungsspiele in die Parks und vieles mehr.

Gibt es eigentlich auch „böse“ Spiele?

Es liegt im Wesen des Spiels, dass es dann vorbei ist, wenn jemand ernsthaft verletzt oder gekränkt ist. Spielen heißt, dass alle als Mitspieler akzeptiert sind und mit ihnen im Modus des Als-ob verkehrt wird. Es darf also keine wirklichen Verletzungen geben. Andererseits darf es im Spiel durchaus auch handfest zugehen. In den USA forschen die Spielforscher über sogenannte rough and tumble games.

Raufen mit Regeln sozusagen?

Es scheint wichtig zu sein, dass sich vor allem männliche Jugendliche auch einmal körperlich austoben dürfen. Das Raufen muss aber spielerisch bleiben. Früher waren Raufereien üblich, aber wenn ein Gegner auf dem Boden lag, war klar, es ist vorbei. Heute beobachte ich, dass die Jugendlichen weniger „rough“ spielen, aber es gibt Gewaltausreißer. Wenn wehrlose Opfer auf dem Boden liegend getreten werden und andere das mit dem Handy filmen, hat dies nichts mehr mit Spiel zu tun. Eine positive Entwicklung sehe ich bei den jungen Frauen, die aus der passiven Opferrolle, die sie früher innehatten, herauskommen. Sie leben ihre Körperlichkeit aber nicht in Raufspielen aus, sondern sie kultivieren diese zum Beispiel in Kampfsportarten.

Wie wichtig ist das Spiel mit den Eltern?

Es ist überaus wichtig, weil es eine der ganz wenigen Möglichkeiten ist, wie sich Kinder und Erwachsene wirklich auf Augenhöhe begegnen können. Normalerweise sind Erwachsene für ihre Kinder verantwortlich. Im Spiel jedoch kann mich meine Tochter genauso in die Pfanne hauen wie ich sie. Wir haben beide die gleiche Entscheidungsfreiheit. Ich kann zum Beispiel nicht zu ihr sagen: „Du darfst mich nicht aus dem Spiel werfen.“ Außerdem ist es für Kinder auch überaus interessant, den Papa einmal zu beobachten, wenn er sich ärgert und seine Autorität nicht einfach herauskehren kann, falls er das Spiel verliert.

Steckbrief

Rainer Buland (52) hat das Institut für Spielforschung und Spielpädagogik am Mozarteum Salzburg gegründet und leitet es seit 2007.

Der Spielforscher hat Musikwissenschaft, Publizistik und Philosophie studiert. ZVG

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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