Ideensuche: Nachhilfe befreit von Studiengebühr

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Am renommierten Weizmann-Institut geben Studenten ihr Wissen an Schüler weiter. Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) hat sich angesehen, wie Wissensvermittlung in Israel aussieht.

Rechovot. Die Kinder zücken ihre Mobiltelefone und fotografieren damit eifrig. In ihren Biologie-Schnupperkurs, der in einem nach nasser Erde und Blumen riechenden kuppelförmigen Glashaus stattfindet, hat sich heute ein ausländischer Gast eingeschlichen. Österreichs Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) tritt mit einem kleinen Salamander in den Händen vor die Linsen der verwunderten israelischen Schüler. Die Verantwortlichen des Clore Garden of Science dürften über den prominenten Besucher weniger überrascht gewesen sein. Sie sind internationale Aufmerksamkeit gewohnt.

Immerhin handelt es sich beim Clore Garden of Science um das einzige Outdoor-Wissenschaftsmuseum der Welt. Auf 800 Quadratmetern können Schüler experimentieren und forschen. Nicht die einzige Maßnahme, mit der das renommierte israelische Weizmann-Institut, das häufig mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) verglichen wird, versucht, Kindern und Jugendlichen Forschung näherzubringen. Kindergelächter und -geschrei sind hier Teil des Campuslebens. Es gibt Training für die Begabten, Förderkurse für die Problemschüler und aufwendige Experimente für ganze Schulklassen.

Eine Million Menschen erreicht

Um diese Anstrengungen zu koordinieren, wurde an das Weizmann-Institut (siehe Infokasten) das sogenannten Davidson-Institut angeschlossen. Dessen Präsident, Haim Harari, der zugleich Vorsitzender der Exekutivausschusses des IST Austria in Klosterneuburg in Niederösterreich ist, würde gern einige israelische Ideen in Österreich umgesetzt sehen und macht vor Staatssekretär Mahrer Werbung – etwa für das Tutorenprojekt.

Studierenden am Weizmann-Institut ist es verboten, neben ihrem Studium zu arbeiten. Mit einer Ausnahme: Sie dürfen sich am Forschungsinstitut selbst engagieren. Und das machen viele. So können sie sich nämlich etwa die Hälfte der rund 2500 US-Dollar hohen jährlichen Studiengebühren ersparen. Vier Stunden pro Woche müssen sich die Studenten um Kinder aus sozial schwachen oder Migrantenfamilien, aus Haushalten, in denen es kein einziges Buch gibt, kümmern. Selbst Jugendliche, die in die Drogen- oder Kriminalitätsszene abzurutschen drohen, werden betreut. Rund 25.000 Studierende haben an dem Programm bereits teilgenommen. „Wir haben so das Leben von einer Million Menschen berührt“, sagt Harari stolz. Damit ist jeder achte Israeli schon in Kontakt mit dem Forschungsinstitut gekommen. Ein Zugang, den der Staatssekretär zumindest interessant findet. „Das Engagement der Studierenden für den Wissenstransfer ist beeindruckend. Besonders die Wissensweitergabe an Schüler und das Wecken der Begeisterung für Naturwissenschaften bei den Kleinsten am Beispiel des Science Parks kann für uns Vorbild sein.“ Inwieweit das auch für Studiengebühren gilt, die an soziales Engagement gekoppelt sind, wollte er nicht sagen.

Keine Physik ohne Newton

Auch die Talenteförderung kommt am Davidson-Institut nicht zu kurz. Nach der Schule sind auch Begabte ein- bis zweimal pro Woche eingeladen. Dann wird das Fach Moderne Naturwissenschaft angeboten. „Schüler sollten nicht nur das lernen, was im 18. Jahrhundert entdeckt wurde“, sagt Harari. Der Naturwissenschaftsunterricht stehe vor einem Dilemma. „Du kannst Austropop-Musiker werden, ohne ein einziges Mal Mozart gehört zu haben. Aber du kannst kein Physiker werden, wenn du Newton nicht kennst“, sagt Harari. Die Schule müsse sich deshalb weiter um die Grundlagen kümmern. Am Davidson-Institut lernen sie dann, das Wissen praktisch anzuwenden.

Noch ein Projekt legt Harari dem Staatssekretär ans Herz: ein Zentrum für Wissenschaftsvermittlung. Das sollte sich inmitten der Stadt befinden und allen Schulen offenstehen, die ihren Physikunterricht dorthin verlegen wollen. Sei es, weil die Schule nicht die entsprechenden Geräte für gewisse Versuche hat, oder um von der Expertise der dort ansässigen Wissenschaftler zu profitieren.

Compliance-Hinweis: Die Reisekosten wurden zum Teil vom Staatssekretariat für Wissenschaft und Forschung getragen. „Die Presse“ übernahm die Hotelkosten.

AUF EINEN BLICK

Das Weizmann-Institut ist ein multidisziplinäres Institut für wissenschaftliche Forschung und Ausbildung und wurde 1934 gegründet. Das Institut, das oft mit der US-amerikanischen Eliteuni MIT verglichen wird, beherbergt vorwiegend Doktoranden und Personen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Das an das Weizmann-Institut angeschlossene Davidson-Institut versucht, Schülern (vielfach auch aus sozial schwachen Familien) Wissenschaft und Universität näherzubringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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