Japan: Wo Tattoos als Symbol der Mafia gelten

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Japan gilt weltweit als Paradies wildester Tätowierungen. Ganz leicht wird man mit solchen Körperbemalungen aber als Yakuza-Gangster geächtet. Touristen wird deshalb das Überkleben der Tattoos empfohlen.

Tokio. Wer in Japan ein Tattoo trägt, versteckt es lieber. Sonst kann es durchaus passieren, dass der Nachbar in der Metro angewidert aufsteht oder ein Restaurantbesitzer ungewohnt deutlich erklärt, dass solche Gäste nicht gelitten seien. Schon kleinste, sichtbare Körperbemalungen reichen aus, um dem Träger den Zutritt in ein öffentliches Bad oder in ein Fitnesscenter zu verwehren.

Auch Ausländern kann es passieren, dass man sie aus den heißen Onsen-Quellen oder dem Hallenbad ihres Hotels verweist. Sie sollten sich vorab an der Rezeption erkundigen, ob Tattoos hier genehm sind, oder gar ein Pflaster auf die betreffende Stelle kleben, empfehlen seriöse Reiseführer.

Das mutet kurios an, weil gerade das fernöstliche Inselreich historisch, künstlerisch und auch stilistisch zu den Trendsettern des Tätowierens gehört. Obwohl Tattookünstler aus aller Welt nach Japan reisen, um sich inspirieren zu lassen, stoßen tätowierte Menschen bei den Einheimischen auf spürbare Ablehnung. Selbst typisch japanische Motive sind verpönt. Bei Ausländern dagegen werden zumindest asiatische Schriftzeichen oft nur milde belächelt, denn anders als zumeist ihre Träger können Japaner diese Kanji auch wirklich lesen und ihren (Un-)Sinn deuten.

Es ist weniger eine Geschmacksfrage, die zu diesem radikalen Verhalten geführt hat. In Japan sind es vor allem die Yakuzas, Mitglieder der Mafia, die mit der meist schmerzhaften Zufügung der Tattoos Eintritt in ihre zweifelhafte Gesellschaft erlangen und mit speziellen Symbolen ihre Zugehörigkeit demonstrieren. Meist tragen sie Tätowierungen auf dem ganzen Körper, die sie zur Schau stellen.

Wer jedoch außerhalb dieser Schicht Körperbemalungen mag, wird fast automatisch mit dem organisierten Verbrechen assoziiert, das bis heute in Japan Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel kontrolliert, Schutzgelder von Einzelhändlern und Restaurants verlangt und auch im Banken- und Immobiliensektor kräftig mitmischt. Bis zu 80.000 Mitglieder solcher Banden gibt es angeblich – und sie werden zuweilen seltsamerweise oft von der Polizei toleriert, weil sie angeblich die Kleinkriminalität in Grenzen halten.

Deshalb überlegen sich junge Japaner, die sich gern ein Irezumi, ein japanisches Tattoo, zulegen möchten, eine Tätowierung sehr gründlich. Die Gefahr, selbst mit harmlosen Bildchen automatisch stigmatisiert zu werden, erzeugt eine erhebliche Hemmschwelle.

Diskriminierung in Osaka

Kein Gesetz oder auch nur Toleranz schützt vor schweren Diskriminierungen. Besonders krass ging der populäre Politiker Tōru Hashimoto als Bürgermeister Osakas gegen Tattoos vor. Der 1969 geborene Jurist und Ex-TV-Moderator veranlasste unter den 33.000 Mitarbeitern seiner Stadtverwaltung eine schriftliche Befragung, in der jeder Einzelne angeben sollte, ob sie oder er irgendeine Tätowierung habe – auf Armen, Händen, auf dem Nacken oder darüber hinaus oder vom Knie abwärts. Auf einer Körperskizze mussten genaue Stelle und Größe der Bemalung angegeben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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