Reihenfolge der Geburt wirkt sich nicht auf Persönlichkeit aus

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Wie emotional, extrovertiert oder gewissenhaft ein Mensch ist, ist völlig unabhängig von der Position als Erstgeborener oder Nesthäkchen. Das besagt eine neue Studie.

Wer Geschwister hat, kennt dieses Phänomen: Je nach Reihenfolge bekommt man bestimmte Etiketten. Den Ältesten wird dabei eine besondere Vernunft zugeschrieben. Die Begründung: Sie mussten Vorbild sein und den Kleineren helfen. Die Kleinsten in der Familie, so heißt es oft, seien dagegen freier und nicht selten die Rebellen in der Familie.

Allerdings soll es sich bei dieser Kategorisierung um Unfug handeln: Die Persönlichkeit erwachsener Geschwister wird nach Forscherangaben nicht von der Reihenfolge ihrer Geburten bestimmt. Wie emotional, extrovertiert oder gewissenhaft ein Mensch ist, sei völlig unabhängig von der Position als Erstgeborener, Sandwichkind oder Nesthäkchen.

Lediglich "winzig kleine Unterschiede beim Intellekt" habe sie zusammen mit Kollegen in einer Studie festgestellt, sagte die Psychologin Julia Rohrer von der Universität Leipzig. Dass Erstgeborene im Durchschnitt ein klein wenig schlauer sind als ihre jüngeren Geschwister, war auch schon vorher gezeigt worden.

Die Theorie aus dem Jahr 1996

Der in der Laienpsychologie verbreitete Glaube, die Reihenfolge der Geburten forme den Charakter, gehe insbesondere auf den US-Psychologen Frank Sulloway zurück, erklärte Rohrer. Er publizierte 1996 mit "Born to Rebel" ("Der Rebell der Familie") eine Theorie, derzufolge Kinder in der Familie verschiedene Nischen besetzen. Erstgeborene sah Sulloway zum Beispiel als perfektionistisch an, mittlere Kinder als sozial, Nesthäkchen als Rebellen. In der Wissenschaft sei die Theorie aber umstritten gewesen, meinte die Forscherin.

Mit Kollegen aus Leipzig und Mainz wertete sie Daten dreier fundierter Untersuchungen mit insgesamt mehr als 20.000 Teilnehmern in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland aus. Das Team wollte prüfen, ob die Geschwisterposition für den Lebenslauf einen dauerhaften Unterschied macht. Diese Frage beschäftige Forscher schon seit dem 19. Jahrhundert, schreibt das Team in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS").

Antworten waren jedoch oft widersprüchlich. Denn die Datenlage und Art der Auswertung beeinflussten die Ergebnisse maßgeblich, so das Forscherteam. Dabei seien etwa Angaben über das Geschwistergefüge wenig belastbar, wenn sie lediglich von einem Kind pro Familie abgefragt wurden. Auch müsse man zwischen Familien mit gleich vielen Kindern vergleichen, erläuterte Julia Rohrer ihre Vorgehensweise.

Erstgeborene sind etwas klüger

Mit Blick auf die - nach Angaben der Forscher - vier "zentralen" Eigenschaften Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit zeigte sich bei der neuen Studie keinerlei Zusammenhang mit der Reihenfolge der Geburt. Beim Intellekt schnitten Erstgeborene sowohl in IQ-Tests als auch bei der Selbsteinschätzung etwas besser ab als die jüngeren Geschwister. Die müssen sich allerdings nun nicht sorgen: Der Effekt lasse sich zwar in großen Stichproben finden.

"Wenn man zwei Geschwister vergleicht, wird dennoch in über 40 Prozent der Fälle das später geborene den höheren IQ haben", betonte Rohrers Kollege Stefan Schmukle. Zudem seien die Effekte so klein, dass es zweifelhaft sei, ob sie für den Lebensweg bedeutsam sind.

(APA/dpa)

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