Expertin Heidemarie Lex-Nalis hält die nur dreimonatige Kindergartenpflicht für Vierjährige für „fachlich suspekt“.
Wien. Die Kritik an der Bildungsreform reißt nicht ab: Vor allem die Pläne zum zweiten Pflichtkindergartenjahr mit Opt-out-Möglichkeit sorgen für Kopfschütteln. Jedes Kind muss mit vier Jahren in den Kindergarten – zumindest drei Monate lang. Erst dann kann es, wenn kein Förderbedarf besteht, abgemeldet werden. „Unter vielen völligen Absurditäten in dem Reformpapier ist das die absurdeste Geschichte“, sagt Heidemarie Lex-Nalis von der Elementarpädagogik-Plattform Educare. Es sei für Kinder immer traumatisierend, das erste Mal von den Eltern getrennt zu sein. Sie bräuchten Zeit, sich an die Umgebung zu gewöhnen. Nach drei Monaten hätten sich die meisten Kinder gut eingewöhnt, sie dann wieder aus einer Gruppe, in der sie ihren Platz gefunden haben, rauszureißen sei „eine fachlich suspekte Geschichte“, so Lex-Nalis.
Sie hält generell nichts von dem vorgelegten Reformpapier: „Man könnte das Ganze unaufgeschnürt entsorgen. Es ist eine Ignoranz all dessen, was bisher im Kindergarten passiert. Ich weiß nicht, aus welchem Hut die Verantwortlichen die präsentierten Ideen zu zaubern begonnen haben“, sagt die Expertin. Man hätte etwa den Bildungskompass nicht neu erfinden müssen, es gäbe schon jetzt Portfolios. Auch einen Qualitätsrahmen müsse man nicht erst entwickeln, vielmehr sollten endlich die Voraussetzungen geschaffen werden, die bestehenden Vorgaben zu erfüllen. Lex-Nalis fordert mehr und universitär ausgebildete Pädagogen, kleinere Gruppen und eine Überführung der Zuständigkeiten für die Kindergärten in das Bildungsministerium.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)