Kindergarten: Islamisch oder nicht?

(c) Stanislav Jenis
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Wie viele islamische Kindergärten es in Wien gibt, ist nirgendwo erfasst. Bei den Kontrollen der Einrichtungen durch die Stadt spielt Religion keine Rolle – wenn der Kindergarten sich nicht selbst als religiös definiert.

Wien. Die Falten ziehen tiefe Furchen in sein Gesicht. Muhammad Ismael Suk wirkt für einen Moment müde und erschöpft. „Was für einen Sinn hätte es, wenn ich radikales Gedankengut unter Kindern verbreite?“, fragt er. Iqra, sein Kindergarten in Wien Favoriten, sei ja als integratives Projekt gegründet worden. Eben jener Kindergarten kam vergangene Woche ins Gerede, als die Israelitische Kultusgemeinde eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einbrachte. Der Vorwurf: In seinem Kindergarten sei eine jihadistische Broschüre als Lehrmaterial für Kindergartenpädagogen verwendet worden – ein ehemaliger Mitarbeiter hat den Fall aufgebracht. Wenig später hat sich herausgestellt: Der Fund der Broschüre liegt zwölf Jahre zurück.

Der ehemalige Mitarbeiter, der laut „Kurier“ eine Anzeige wegen Hetze und NS-Wiederbetätigung am Hals haben soll, habe aber selbst nie gesehen, dass das Material auch tatsächlich verwendet wurde. „Ich sag' ihnen ehrlich, ich weiß nicht, ob das Buch damals herumgelegen ist“, sagt Suk. „Das ist zwölf Jahre her. Wir hatten damals viele Arbeiter im Haus. Aber jetzt liegt seit einigen Jahren sicher nichts herum. Es gibt nicht einmal Bücher fürs Betreuungspersonal.“

Dass die Kultusgemeinde bei ihrer Anzeige gewusst hat, dass der Fall „mehrere Jahre zurückliegt“, wie Generalsekretär Raimund Fastenbauer der „Presse“ bestätigt, schmerzt Suk: „Wir reden hier dauernd von Dialog, und dann wird einem so in den Rücken gefallen.“

Die Anzeige kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Stimmung gegenüber Muslimen in Österreich aufgeheizt ist – ob der Flüchtlinge und des Terrors in Paris. Und islamische Kindergärten stehen nun auch vermehrt im Fokus: Zuletzt monierte Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fehlendes Wissen über islamische Kindergärten und forderte verstärkte Kontrollen.

150 muslimische Kindergärten soll es laut Kurz in Wien geben. Die Zahl basiert auf Aussagen des Religionspädagogen Ednan Aslan von der Uni Wien, der nun auch im Auftrag von Kurz eine Studie über die Wiener Kindergärten durchführt. Aslan hat schon 2014 behauptet, in Wien gebe es mehr salafistische Kindergärten als sonst wo. Da die Studie noch läuft (sie soll im Jänner präsentiert werden), will er das Thema derzeit gegenüber Medien nicht kommentieren.

Tatsächlich ist die Datenlage schlecht. Die Stadt Wien steht auf dem Standpunkt, dass es offiziell gar keine muslimischen Kindergärten in Österreich gibt – weil die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) keine führt. Die Vertretung der österreichischen Muslime führt auf ihrer Homepage nur eine Liste mit neun Privatkindergärten auf. Dabei wird bei einzelnen Kindergärten auch Islamunterricht angeführt – eine kritische Ausdrucksweise, denn Unterricht per se, also Schulunterricht, ist laut Kontrollbehörde MA 11 (Jugend und Familie) nicht erlaubt. Weswegen sich muslimische Kindergärten oft auch nicht als solche sehen – da ja kein Unterricht stattfindet.

Das gemeinsame Beten und Singen von religiösen Liedern ist aber erlaubt. Religion müsse kindergerecht vermittelt werden, sagt Herta Staffa, Sprecherin der MA 11. Auch müsse im Bildungsplan stehen, dass religiöse Werte vermittelt werden. So wie etwa Kinder in katholischen Kindergärten kollektiv Messen besuchen können.

In Suks Kindergarten spielt der Islam an Feiertagen eine Rolle, im Auftreten der Betreuerinnen, von denen viele muslimisch sind, im Essen, das halal ist. „Aber wir geben keinen Islamunterricht.“ Und: „Wenn man die muslimischen Festtage begeht, warum muss es dann ein islamischer Kindergarten sein?“ Lieber ist ihm das Wort multikulturell. „Ich erkläre ihnen auch die christliche Religion.“ Sein Hauptaugenmerk, meint er, liege aber nicht auf der Religion, sondern auf der Integration. Viele Kinder seien ohne Deutschkenntnisse gekommen und hätten ihn schulreif verlassen. Auch in den Kontrollen der MA 11 ist der Kindergarten nie auffällig gewesen.

Kritik an Kontrollen

Grundsätzlich sind es aber genau die Kontrollen, die für Kritik sorgen. Sie finden ein bis zweimal pro Jahr statt – laut Staffa großteils angekündigt. Überprüft wird unter anderem das Personal und die Einhaltung des Bildungsplans. Auf Religion liegt dabei kein Fokus. „Wenn es nicht im Konzept des Kindergartens steht, kann man es nicht kontrollieren“, sagt Staffa. Auch ob ein Kindergarten „besonders konservativ ist, sieht man ja nicht“. Die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft fordert daher gänzlich bessere Kontrollen. Und zwar für alle Kindergärten, nicht nur für muslimische. „Die Kontrollen müssen öfter stattfinden und genauer“, sagt Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs. Auch die Betreuerinnen sollten eine bessere Ausbildung bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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