Das Land Oberösterreich will das Brauchtum verankern.
Linz. Kürzlich sorgte der Vorstoß des freiheitlichen Welser Bürgermeisters für Aufsehen: Er will die städtischen Kindergärten zur Vermittlung von Brauchtum und Traditionen – und von deutschsprachigem Kulturgut verpflichten. So sollte jedes Kindergartenkind fünf Lieder und Gedichte auswendig können.
Mehr Brauchtum im Kindergarten dürfte sich aber nicht nur auf Wels beschränken: Vielmehr könnte das bald in ganz Oberösterreich Pflicht werden. Einen entsprechenden Artikel der Tageszeitung „Österreich“ bestätigte das Büro von Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer (ÖVP). „Das Brauchtum ausreichend zu berücksichtigen soll bei der Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes eine Rolle spielen“, heißt es. Es gehe dabei etwa um traditionelle Feste und Feiern im Jahreskreis, genannt werden konkret christliche: Nikolaus, Ostern oder St. Martin. Diese „Brauchtumsklausel“ sei eine gemeinsame Initiative von FPÖ und ÖVP im Land gewesen, heißt es aus dem Büro Stelzers.
Oberösterreichs Grüne sind erzürnt. Natürlich solle der Jahreskreislauf in den Kindergärten behandelt werden, die Feierlichkeiten würden ohnehin begangen. Aber die geplante „christliche Feierpflicht“ sei „die nächste Unsinnigkeit aus dem Hause Schwarz-Blau“, kritisiert Klubchef Gottfried Hirz. Dass Experten den Welser Wertekodex – das Vorbild für die Idee – massiv abgelehnt hätten, sei der Landesregierung offenbar egal.
Wertekodex für Schulen
Der Wertekodex für Schulen, an dem Oberösterreich bereits seit Längerem feilt, soll übrigens im Mai fertig sein, heißt es aus Stelzers Büro. Darin will man die „bei uns üblichen Einstellungen und Haltungen“ kommunizieren, hieß es bei der Ankündigung im Februar. Auch das „christliche Fundament“ solle darin Platz finden, sagte Stelzer damals. Ab Herbst soll dieser Wertekodex dann mit Unterrichtsmaterialien „unterfüttert“ werden. (beba)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)