Sind Eltern, die ihre Kinder ins Ziel zerren, ein Einzelfall?

(c) Imago
  • Drucken

Der Linzer Juniormarathon schlug wegen überehrgeiziger Eltern hohe Wellen. Im nächsten Jahr wird er trotzdem wieder stattfinden. Wie schlimm sind die "Marathon-Eltern"?

Schnelle Aufschreie, große Aufregung, dann ein rasches Absinken des Interesses: Man kennt das aus den sozialen Medien. Diesmal traf es den Linzer Juniormarathon. Genauer gesagt: Eltern, die ihre Kinder über das Ziel zerren. Ein hässliches Bild aus Oberösterreich machte gestern die Runde, sogar der deutsche "Spiegel" und die "Bild" berichteten über den offensichtlich fehlgeleiteten Ehrgeiz der abgelichteten Eltern.

42 Meter waren es, die die Drei- und Vierjährigen am Samstag in Linz bewältigen sollten. Eine Distanz, für die ein Kind in diesem Alter keine Hilfe braucht, doch wegen des Rummels vor Ort seien die Kleinen eingeschüchtert, berichten Teilnehmer. Also nehmen die Eltern sie an die Hand. Und reißen in manchen Fällen auch daran. Beim Wien-Marathon wird man das übrigens kaum zu sehen bekommen: Hier dürfen Kinder erst ab sechs Jahren mitmachen. Sie laufen am Samstag 2,2 Kilometer. Es gibt einen Startblock für Kinder ohne und einen für Kinder mit Begleitung - allerdings im hinterern Startbereich.

Das mittlerweile bekannte Bild des Linzer Sportfotografen Manfred Binder erzeugte jedenfalls heftige Reaktionen. In den sozialen Netzwerken verbreitete sich die Empörung rasant. Die Reaktionen reichten von Fassungslosigkeit bis zu Rufen nach dem Jugendamt und durchaus kreativen Strafmöglichkeiten für die Eltern. Der medialer Pranger ist schnell aufgestellt.

Organisator: "Die Ausnahme, nicht die Regel"

Geurteilt wurde über die Eltern, den Veranstalter oder gleich alle, die ihre Kinder an Bewerben teilnehmen lassen. Der Leistungs- und Erfolgsdruck beginne viel zu früh, so der Tenor. Dass viele Kinder den Lauf anders erfahren haben, kann man aber auch lesen: "Ich war da auch dabei und mein Kind tat das freiwillig und mit viel Spaß und wir wurden gemeinsam Vorvorletzter. Man darf diesen Bewerb nicht pauschal verurteilen nur weil es immer einige übermotivierte Eltern gibt", so ein Posting auf Facebook. Denn immerhin geht es bei einem solchen Lauf wie in Linz nicht um Leistungssport, wo tatsächlich schon sehr früh ganz andere Regeln herrschen. Es geht um einen kleinen Freizeit-Bewerb.

Dennoch: "Es gibt diese Fälle immer wieder", sagt Ewald Tröbinger, der Organisator des Linz Marathon, in der "Zeit im Bild". "Die Eltern versuchen einfach, Stockerlplätze zu ergattern, und so geht es einfach nicht." Doch seien diese Eltern die Ausnahme, nicht die Regel. In den vergangenen Jahren habe man schon überlegt, die Kinderläufe der Drei- und Vierjährigen abzusagen. Doch trotz der Aufregung hat man sich aktuell dagegen entschieden. "Es wäre schade, das wegen zwei oder drei Elternteilen abzublasen", so der Organisator. Man überlegt aber, beim nächsten Mal Eltern zu "verwarnen", die den Bewerb allzu ernst nehmen.

Allerorts Kritik an der "heutigen Erziehung"

Auch, wenn nicht alle so sichtbar an ihren Kindern zerren: Sind überehrgeizige Eltern ebenso ein Zeichen unserer Zeit wie das schnelle mediale Aburteilen? Manche Experten sagen: Ja. Der deutsche Kinderpsychiater Michael Schulte-Markwort etwa sieht sich jeden Tag kleinen Patienten gegenüber, die über Erschöpfung klagen. In seinem Buch "Burn-Out-Kids" beschreibt er die Folgen der steigenden Leistungsansprüche.

Andere Psychologen und Erziehungsexperten wiederum vermissen jeglichen Ehrgeiz bei den Eltern. Diese würden ihre Kinder ja gar nicht mehr erziehen, sie in Watte betten, weshalb die Kinder bei der kleinsten Herausforderung schon "Nein, danke" sagen würden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.