Babysitter - mit Magister und Mandarin

Was muss eine Nanny können? In den USA sind die Ansprüche mittlerweile ziemlich hoch.
Was muss eine Nanny können? In den USA sind die Ansprüche mittlerweile ziemlich hoch. Bilderbox
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Fremdsprachenkenntnisse, eine Ausbildung zur Köchin und Sporttrainerin: In den USA nehmen die Ansprüche an Babysitter beeindruckende Formen an.

Ein Abschluss in frühkindlicher Erziehung, eine Ausbildung zur Vollwertköchin, ein Zertifikat als Sportcoach und natürlich keinerlei bedenkliche Einträge im Führungszeugnis oder auf den eigenen Social-Media-Seiten: Das ist das Resümee einer Bewerbung als Babysitterin oder Nanny in den USA – aus der Masse heraus sticht man damit aber nicht mehr.

Denn die Ansprüche an die Kinderbetreuung wachsen stetig, die Zeiten, in denen die Nachbarstochter im Teenageralter auf den Nachwuchs aufgepasst hat, sind lang vorbei. Inzwischen werden die Forderungen, die Eltern an potenzielle Betreuer stellen, schon zum Running Gag: Da sitzt in einem Windelwerbespot die Mutter mit der Nanny im Bewerbungsgespräch und lässt sich weder vom perfekten Kostüm noch vom Master in Erziehungswissenschaften beeindrucken: „Ah, schade, kein PHD?“ ist alles, was sie bedauernd zu sagen hat.

Auch wenn die Situation überzeichnet dargestellt ist, finden sich Babysitter und Nannys auf der Suche nach Beschäftigung immer häufiger Müttern gegenüber, deren Ansprüche nichts mehr mit dem zu tun haben, was einst als Qualifikation dafür gegolten hat, auf den Nachwuchs aufpassen zu können.

Überall Exzellenz gesucht

Es hat in unserer Gesellschaft eine grundsätzliche Verschiebung dahin gegeben, dass in allen Lebensbereichen nach Exzellenz gestrebt wird. Das hat sich nicht nur auf die Anforderungen an Nannys, sondern auch auf jene an Lehrer, Schulen, Sportcoaches und Nachhilfelehrer ausgewirkt“, analysiert Cortney Gibson, Vorsitzende der International Nanny Association (INA), im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Sie alle sollen die Eltern dabei unterstützen, den Kindern die perfekte Kindheit zu ermöglichen, kombiniert mit der perfekten Ernährung, Förderung und Freizeitgestaltung. „Viele Eltern suchen nach Betreuern, die als ,Co-Parents‘ gemeinsam mit ihnen die Erziehung übernehmen und teilweise auch Defizite ausgleichen, die die Eltern haben“, sagt auch Katie Bugbee, Pressesprecherin von Care.com, der größten Vermittlungsagentur von Nannys in den Vereinigten Staaten.

Bereit, viel Geld zu zahlen

Ansprüche, die sich die Eltern auch durchaus etwas kosten lassen. Zwar verdienen die meisten Nannys und Babysitter im Landesdurchschnitt 15 US-Dollar (rund13Euro) pro Stunde, aber eine wachsende Zahl von Eltern ist bereit, für mehr Wissen und zusätzliche Qualifikationen auch mehr Geld auszugeben. „Es gibt durchaus Nannys, die sechsstellige Summen im Jahr verdienen“, sagt Gibson, und das seien nicht nur die Kindermädchen der Celebritys in Los Angeles oder New York City, in deren Gehältern eine Art Schweigegeld inkludiert ist.

Laut einer Umfrage unter 700 Usern von Care.com haben 20 Prozent der Befragten sich schon einmal Geld von Freunden oder Verwandten geliehen, um die Kosten für die Kinderbetreuung aufbringen zu können. Rund 30 Prozent haben entweder an anderer Stelle massiv eingespart oder aufgehört, etwas zurückzulegen, und immerhin 16,2 Prozent haben einen zusätzlichen Job angenommen, um sich den perfekten Babysitter leisten zu können. Was ein Blick auf die Kosten durchaus nachvollziehbar macht: Knapp 50 Prozent der Umfrageteilnehmer zahlen zwischen 5000 und 20.000 US-Dollar für Kinderbetreuung im Jahr, über zwölf Prozent sogar über 30.000.

Ganz oben auf der Liste der Qualifikationen, für die die Eltern willens sind, mehr zu zahlen, steht übrigens die Zubereitung gesunder Biokost. „Ernährungs- und Fitnesszertifikate sind sehr gefragt“, sagt Bugbee, „gerade in Zeiten, in denen Fettleibigkeit bei Kindern ein großes Thema ist, liegt es den Eltern am Herzen, dass der Babysitter die Kids nicht mit Chicken Nuggets füttert.“ Für berufstätige Eltern sei es einfach angenehm zu wissen, dass sie sich um das Abendessen nicht mehr kümmern müssen und die Kinder trotzdem etwas Gesundes zu essen bekommen. Ebenfalls hoch im Kurs seien Nannys, die glutenfreies Essen zubereiten können.

Bitte mehrsprachig

Und nicht nur beim Essen wird auf die richtigen Qualifikationen geachtet. Gefragt sind auch Betreuungspersonen, die eine weitere Sprache sprechen und so den Kindern ganz nebenbei Spanisch oder Mandarin vermitteln können. Damit nicht genug, muss freilich auch die pädagogische Qualifikation passen. Besonders begehrt sind Babysitter und Nannys, die einen Bachelor oder Master in Early Childhood Education, also kindlicher Frühförderung, haben. „Dafür sind 54 Prozent unserer Kunden bereit, mehr zu bezahlen“, sagt Bugbee. Die Mehrheit ihrer Bewerber (der Großteil ist nach wie vor weiblich) seien Absolventinnen, die bereits ihren Bachelor gemacht haben und nun auf dem Weg zum Master sind. Mit dem Nanny-Job wollen sie Praxis gewinnen und ihr Studium finanzieren.

Damit legen sie allerdings die Messlatte für andere Nannys extrem hoch, zumal sich durch Onlineplattformen die Qualifikationen und Bewertungen der Kandidatinnen leicht vergleichen lassen. Da kann es schon passieren, dass eine Nanny, die seit 20Jahren erfolgreich anderer Leute Kinder großgezogen hat, plötzlich furchtbar unterqualifiziert wirkt – so ganz ohne Ernährungs- oder Fitnesszertifikat und nur mit einer schön gesprochenen Muttersprache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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