Frankophonie bei Kaiserwetter: Bolero-Fieber in Schönbrunn

Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker 2016
Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker 2016(c) ORF (Milenko Badzic)
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Beim 13. „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker im Schlosspark gab es unter Dirigent Semyon Bychkov etliche Raritäten zu hören.

So viel Publikum wie noch nie gab es beim 13. „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker am Donnerstag im Schlosspark von Schönbrunn. Trotz durchaus riskantem, französisch getöntem Programm kamen bei dem Kaiserwetter mehr als 100.000 Menschen zu diesem Event. Zeitweilig mussten die Tore zum Schlosspark geschlossen werden.

Was aber soll man bei einem Freiluftkonzert programmieren? Möglichst Populäres, damit alle mitschunkeln können? Oder doch eher Raritäten, damit die Leut' was kennenlernen, von dem sie vielleicht angenehm überrascht werden? In diesem Jahr haben die Wiener Philharmoniker keinen bequemen Weg gewählt. Wirklich Bekanntes stand nur ganz am Anfang (ein Fragment aus Georges Bizets ,,L'Arlésienne“) des Konzerts und auch am Ende (Maurice Ravels „Bolero“).

Die Kunst der Tontechniker

Schon die Wahl des Letzteren ist bei einem Ereignis bemerkenswert, bei dem die Musiker vorrangig auf die Kunst der Tontechniker vertrauen müssen, die ihre Klänge in die Lüfte blasen: Kommt es doch bei diesem Stück nicht nur darauf an, dass die Wiederholungen der beiden Strophen von Variation zu Variation immer lauter werden, sondern auch darauf, dass Ravel hier eine Instrumentationsstudie liefert, die zeigt, welche Farb-Valeurs man einem großen Symphonieorchester abtrotzen kann.

Obwohl im riesigen Freiluft-Konzertsaal letztlich doch nur der dynamische Aspekt zum Tragen kommen kann, baute Semyon Bychkov das gesamte Konzert auf klanglicher Subtilität auf. Als wollte er justament ein Exempel statuieren. Sogar bei Berlioz' zündendem Arrangement des ungarischen „Rákóczy“-Marschs (aus ,,Fausts Verdammnis“) wählte er ein durchaus breites, gar nicht auf Effekt bedachtes Tempo. Und Ravels – vor dem „Bolero“ gegebene – Suite aus dem Ballett ,,Daphnis und Chloe“ machte er wirklich zu einem Fest artikulatorischer Finesse und koloristischer Subtilität.

Die bemerkenswerteste Wahl des Abends bleibt freilich Francis Poulencs Doppelkonzert, das die Labeque-Schwestern Katja und Mariel mit dem gewohnten Temperament aus den Tasten der beiden Steinways meißelten. Gewiss, Poulenc ist mit diesem Werk der Beweis gelungen, dass die musikalische Moderne auch unterhaltende Aspekte aufweisen kann, dass man ein kunterbuntes Gemisch aus Strawinsky-Rhythmen und Hollywood-Gefühlsseligkeit im klassischen Gewand eines dreisätzigen Klavierkonzerts kostümieren kann. Doch reicht das vermutlich nicht aus, um die Hunderttausendschaft, die nach Schönbrunn gekommen war, in enragierte Parteigänger der französischen Avantgarde der 1930er-Jahre zu verwandeln.

Teilerneuerte Bundesregierung

Der Applaus geriet freundlich, aber nicht so freundlich, dass die Zugabe quasi kommen musste. Sie kam dennoch in Gestalt des Final-Galopps aus Camille Saint-Saëns' „Karneval der Tiere“ und fand entsprechend enthusiasmierten Widerhall. Was den Zuspruch betrifft, schlug man diesmal, dem Wettergott sei Dank und riskantes frankophones Programm hin oder her, alle Rekorde. Die Spitzen der teilerneuerten Bundesregierung wurden zu Zeugen. Enttäuschte Fans standen aber in Hietzing bald vor verschlossenen Gittertoren. Der Park war tatsächlich heillos überfüllt; aber nicht so heillos, dass sich nicht zur üblichen Schluss-Zugabe – auf Offenbachs diesmal übrigens auch gar nicht rasantem Cancan folgte, wie zur Sommernacht gewohnt, Strauß' „Wiener Blut“ – doch noch für manche ein Tänzchen ausging . . .

83 Stationen auf fünf Kontinenten

Für die Veranstalter war das Ereignis ein voller Erfolg, auch die Übertragung im Rundfunk darf den Anspruch erheben, ein Quoten-Hit genannt zu werden: 585.000 Zuschauer sind für ein klassisches Konzert wohl sensationell. Der Marktanteil für den ORF lag bei 23 Prozent. Höher lag man mit dem (zum Zeitpunkt der Einführung noch ,,Konzert für Europa“ genannten) Event noch nie. Via 3sat kamen noch 290.000 Seher dazu. 83 Stationen auf fünf Kontinenten übernehmen die Produktion.

AUF EINEN BLICK

An die 102.000 Menschen hörten sich live am Donnerstagabend im Schlosspark von Schönbrunn das 13. „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Semjon Bytschkow an. Gespielt wurden Hits aus Frankreich wie Maurice Ravels „Bolero“, aber auch weniger Bekanntes, etwa ein Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Francis Poulenc. Die Übertragung im ORF hatte beachtliche 585.000 Zuschauer. Via 3sat kamen zudem noch 290.000 Seher dazu. 83 Stationen auf fünf Kontinenten übernehmen die Produktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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