Wien: Kindergarten für tausende Kinder vor Schließung

Symbolbild Kindergarten
Symbolbild Kindergarten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Streit um regelwidrig verwendete Förderungen bereitet den Eltern von mehr als 2000 Kindern Schwierigkeiten – einigen sich der Betreiber und die Stadt Wien nicht, müssen 33 Kindergärten schließen.

Wien. Der Sommer gilt gemeinhin als besonders schwierige Jahreszeit, wenn es darum geht, Arbeitszeiten mit den Schließzeiten von Schulen, Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen zu vereinbaren. Für die Eltern von 2276 Wiener Kindergartenkindern ist die Situation dieser Tage besonders schwierig. 33 Kindergärten, die vom Verein Alt-Wien betrieben werden – und bis vor Kurzem Förderungen von der Stadt Wien erhalten haben –, droht das Aus. Da sich der Träger nicht an die Fördervereinbarung hält, hat die Stadt die Förderung eingestellt („Die Presse“ berichtete) und verlangt 6,6 Millionen Euro an Fördergeldern zurück. Derzeit herrscht Pattstellung zwischen Alt-Wien und der zuständigen städtischen Magistratsabteilung MA10. Sollte sich das nicht bald ändern, könnten mit Anfang August – also ab Montag – die Türen der 33 Wiener Kindergärten geschlossen bleiben.

1. Warum hat die Stadt Wien die Fördergelder der privaten Alt-Wien-Kindergärten eingestellt?

Die MA10 hat einen Verstoß gegen die Fördervereinbarung ausgemacht und daher die Förderungen für die Kindergärten mit dem Namen Alt-Wien – Muku – Arge für multikulturelle Kindergartenpädagogik eingestellt. So wurden Fördergelder widmungswidrig verwendet. Außerdem gibt es weder eine ordnungsgemäße Buchführung noch eine seit Juni fällige Jahresabrechnung für 2015.

Fördergelder sind ausdrücklich für den Betrieb der Kindergärten gedacht. Knapp eine Million Euro hat der Verein, dem Leiter Richard Wenzel (noch) vorsteht, pro Monat erhalten. Die Gelder sollen aber unter anderem auch in einen neuen Kindergarten in Wien Penzing sowie in eine Ballettschule (die im Haus seines Sohnes eingemietet ist), eine Reitschule und das sogenannte Parkschlössl in Bad Aussee, das für Feriencamps genutzt wurde, geflossen sein.

Daniela Cochlar, Abteilungsleiterin der MA10, meint dazu: „Ein Überschuss muss entweder zurückgezahlt oder innerhalb von zwei Jahren reinvestiert werden, etwa in die Qualitätsverbesserung oder in die Schaffung neuer Plätze.“ Ein neuer Kindergarten sei also durchaus in Ordnung, Ballett- oder Reitschulen sind aber ebenso wie ein Feriencamp, in dem Kinder aus allen Bundesländern Urlaub machen, nicht mit der Fördervereinbarung kompatibel.

Richard Wenzel streitet das nicht ab. Er argumentiert aber damit, dass er eben besonders wirtschaftlich und effizient gearbeitet habe, sodass noch andere Projekte finanziert werden konnten. Ein Wohnhaus, das an den neuen Kindergarten in Wien Penzing angehängt wurde und ebenfalls mit Fördermitteln finanziert wurde, will er etwa für die Unterbringung von Mitarbeitern nutzen. „Die Stadt Wien macht das ja auch mit ihren Schwesternheimen.“

2. Wie geht es nun weiter? Wird der Betrieb der Kindergärten wirklich eingestellt?

Beide Seiten sind der Meinung, dass der jeweils andere am Zug ist. Wenzel will den Betrieb ohne Fördergelder einstellen. Bereits ab August, sprich am Montag, könnten die Türen der 33 Alt-Wien-Kindergärten geschlossen bleiben. „Sie wollen 6,6 Millionen Euro, und wir haben sie nicht“, sagt Wenzel. Die MA10 hält an ihren Forderungen fest: einem „neuen, vertrauenswürdigen“ Vereinsvorstand, der Rückzahlung der 6,6 Millionen Euro und der noch offenen Jahresabrechnung von 2015. „Wenn die drei Punkte geklärt sind, zahlen wir auch wieder Förderungen aus“, sagt Cochlar. Neu ist der Streit zwischen beiden Seiten übrigens nicht. „Das ist nicht das erste Mal, dass wir das Fördergeld gestrichen haben. Er überlebt das einen Monat“, so Cochlar. Bereits im April wurden die Fördergelder ausgesetzt. Man habe dann an einem Vergleich gearbeitet und war überrascht, dass Wenzel diesem schlussendlich doch nicht zugestimmt habe.

Einen neuen Vorstand gebe es laut Wenzel mittlerweile schon: drei Pädagoginnen, die vom Verein gewählt wurden. Diese Information ist allerdings – da die beiden Seiten nur noch über ihre Anwälte kommunizieren – noch nicht zur MA10 durchgedrungen.

3. Was können betroffene Eltern tun, falls die Kindergärten tatsächlich schließen?

Die MA10 hat eine Hotline (01/277 55 55) für betroffene Eltern eingerichtet. Fünfjährige Kinder sowie jene von berufstätigen Eltern haben bei der Suche nach neuen Plätzen Vorrang. Die Eltern haben sich mit einem offenen Brief an die Stadt Wien, von Bürgermeister Michael Häupl abwärts, gewandt und fordern eine Aufrechterhaltung des Betriebs.

Der Anwalt Peter Kueß, der eine Handvoll Eltern berät, kann sich vorstellen, dass diese den Verein klagen. Immerhin haben beide Seiten einen Betreuungsvertrag unterschrieben. Dass Eltern den Betrieb interimistisch übernehmen, was manche ebenfalls angedacht haben, hält er für unwahrscheinlich. Immerhin ließe sich das in Anbetracht des Zeitfaktors wohl nur schwer umsetzen. So müsste man etwa mit 33 Vermietern reden, die durch den Wechsel des Mieters die Miete erhöhen könnten.

4. Könnte es nun zu weiteren Schließungen wegen schärferer Kontrollen kommen?

Auszuschließen ist das nicht. Die MA10 will derzeit nicht von einem schärferen Durchgreifen sprechen. „Wir tun das schon die ganze Zeit. Es gibt 400 Trägervereine mit insgesamt über 100.000 Plätzen, da gibt es immer welche, die sich nicht an die Regeln halten“, sagt Cochlar.

Trotz Streits haben übrigens alle Seiten – die Betreiber, die Förderstelle und die Betroffenen – nur ein Ziel: Der Betrieb der Kindergärten soll aufrechterhalten bleiben.

AUF EINEN BLICK

Der Verein Alt-Wien betreibt 33 private Kindergärten in Wien mit derzeit 2276 Betreuungsplätzen und rund 300 Mitarbeitern. Der seit 1966 bestehende Verein erhält seit 2009 Förderungen der Stadt Wien. Nachdem die zuständige MA10 bei Kontrollen auf widmungswidrige Verwendung der Fördergelder – etwa zur Sanierung von Immobilien, wie einer privaten Ballettschule und einem Feriencamp im Salzkammergut – gestoßen ist, hat sie nach längeren Verhandlungen die Fördergelder eingestellt. Die MA10 fordert nun eine Rückzahlung von 6,6 Millionen Euro, einen neuen Vereinsvorstand und die ausständige Jahresabrechnung 2015. Der Verein droht mit der Schließung ab August. Die MA10 hat eine Hotline (01/277 55 55) eingerichtet.

IN ZAHLEN

103.100 private und städtische Betreuungsplätze gibt es in Wien (Kindergarten- und Hortstandorte).

35 Prozent davon sind privatrechtlich organisiert (36.000).

65 Prozent sind städtisch organisiert (67.100 Plätze).

100 Prozent beträgt die Versorgungsquote für Drei- bis Sechsjährige.

45,7 Prozent beträgt die Versorgungsquote für unter Dreijährige.

420 geförderte Trägerorganisationen gibt es in Wien.

5 Organisationen wurden seit Jahresbeginn aus dem Förderprogramm ausgeschieden.
(Quelle: MA 10)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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