Bildungskompass: „Hilft nicht, schadet nicht“

Das Konzept für den Bildungskompass lässt noch einige Fragen offen. Unter anderem: Wie geht es nach dem Kindergarten mit dem Kompass weiter?
Das Konzept für den Bildungskompass lässt noch einige Fragen offen. Unter anderem: Wie geht es nach dem Kindergarten mit dem Kompass weiter?(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Bildungskompass, den Familienministerin Karmasin nun vorgestellt hat, war der erste Punkt im Bildungsreformpapier. Was er bringen soll. Und welche Fragen offen sind.

Wien. Als frühere Meinungsforscherin weiß Familienministerin Sophie Karmasin, was Umfragen bewirken können. Wenig überraschend, dass dem jüngst präsentierten Konzept für den Bildungskompass eine beigelegt ist, die Zustimmung attestiert: 71 Prozent der Österreicher halten den Kompass für eine gute oder sogar für eine sehr gute Idee.

Nicht berücksichtigt wurde dabei, dass das Konzept, an dem das Ministerium mit Experten dreieinhalb Monate lang arbeitete, zum Zeitpunkt der Umfrage noch gar nicht vorlag. Was der Bildungskompass bringen soll, was die Praxis davon hält – und wo noch Klärungsbedarf besteht.

Die ursprüngliche Idee

Es war der allererste Punkt im Bildungsreformpapier, das die Regierung im November vorstellte: Ein bundesweit einheitlicher Bildungskompass sollte – analog zum Mutter-Kind-Pass – alle Kinder ab dem Alter von 3,5 Jahren begleiten. Dokumentiert werden sollten Sprache, Entwicklung und Fördermaßnahmen. Und zwar ursprünglich noch vor dem Eintritt in den Kindergarten – und bis zum Ende der Schullaufbahn. So sollten auch die Übergänge verbessert werden.

Was daraus wurde

Jein. Anders als geplant wird der Kompass nicht bei allen Kindern mit 3,5 Jahren starten – sondern nur bei jenen, die in diesem Alter bereits im Kindergarten sind. Die Eltern sollen die Informationen zur Schuleinschreibung mitnehmen. So soll der Übergang verbessert werden. Wie es ab der Schule mit dem Kompass weitergeht, ist offen: Das liegt nämlich in der Verantwortung des Bildungsministeriums.

A4-Seite pro Kind

Wirklich neu ist eines: ein standardisierter Raster, den Kindergartenpädagogen pro Kind ein Mal jährlich ausfüllen. Es geht um Interessen, Engagement, Umgang mit Herausforderungen, Sprache und Soziales. Bei Engagement kann das so klingen: „Nils lernt Dinge, indem er sich in Ruhe mit ihnen beschäftigt, aber einen Ansprechpartner zur Verfügung hat. [. . .] Er braucht vor allem Ruhe und Zeit, um sich vertieft mit einer Sache zu beschäftigen.“ Die Werkzeuge, die Kindergärten jetzt verwenden, um die Entwicklung zu dokumentieren, sollen bleiben und deren Erkenntnisse in den Kompass einfließen. Das sind etwa von Kindern erarbeitete Portfolios oder andere Beobachtungskonzepte und die weiter verpflichtende Sprachstandsfeststellung.

Was Praktiker sagen

Begeistert sind Praktiker nicht. Für einen „faulen Kompromiss, der weder hilft noch schadet“, hält Heidemarie Lex-Nalis von EduCare den Kompass. Man ist froh, dass er keine Beurteilung ist. Andererseits sei es fachlich fragwürdig, aus einem größeren pädagogischen Konzept nur den Raster zu übernehmen. Teilweise wird der Kompass nicht viel ändern, weil die Pädagogen einfach ihre bisherigen Werkzeuge verwenden – und die Ergebnisse ein Mal pro Jahr auf die A4-Seite mit dem Raster übertragen. Immerhin: Wo bisher nichts dergleichen verwendet wurde, wird es künftig Dokumentationen geben, sagt Raphaela Keller vom Dachverband der Kindergarten- und Hortpädagogen.

Die Kosten

Das ist die große offene Frage: Es gibt zwar eine Schätzung des Aufwandes für den Kompass – drei Stunden pro Kind und Jahr. Wie viel das kostet, weiß man im Familienministerium nicht. Mit den Ländern hat sich Karmasin nämlich bisher noch nicht zusammengesetzt.

Wann gestartet wird

Karmasin will ab 2017 Pilotprojekte starten. 2018 soll der Bildungskompass dann bundesweit umgesetzt sein – eine Einigung mit den Ländern vorausgesetzt. Oberösterreich will darauf übrigens nicht mehr warten und prescht im Herbst vor. Aber mit einem eigenen Modell.

Und die Förderung?

Für die Praxis war stets klar: Nur zu dokumentieren – ohne den Kindern bei Schwächen dann auch die nötige Förderung anbieten zu können – ist nur bedingt sinnvoll. Von mehr Geld für den Bereich der Elementarpädagogik ist bis dato aber nicht die Rede. Das ist ein Schwachpunkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

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