Autorin Hanna Molden in Alpbach: Umarmt von ihrem Herzenshaus

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Hanna Molden über ihren verstorbenen Mann, den Verleger Fritz Molden, ihr erstes Mal beim Forum Alpbach und das Dorfleben in Tirol.

Hanna Molden muss ausholen, wenn sie über ihr erstes Mal beim Forum Alpbach spricht. Denn das hat natürlich mit dem Bruder von Forumsgründer Otto Molden zu tun, dem großen Verleger, ihrem Mann: Fritz Molden. Den sie am Tag ihrer letzten Prüfung der Staatswissenschaften bei einer Feier in Niederösterreich kennenlernte. Halb Wien sei dagewesen, sie habe Zahnweh gehabt und Brote geschmiert, als ein Mann im Leinenanzug die Küchentür aufriss. („Ich sehe ihn heute noch vor mir.“) Wer sie sei, habe er gefragt. Und die Tür wieder zugeschlagen, als sie zurückfragte.

Nichtsdestotrotz saßen sie ein paar Stunden später auf einem Bankerl. Und wenig später war die für sechs Wochen danach anberaumte Hochzeit mit ihrem französischen Verlobten abgesagt. („Mit dem hat sich mein Mann später sehr befreundet.“) In diesem Frühling 1966 war der 25-Jährigen und dem 16 Jahre älteren Molden klar: Das ist es.

Wenig später kam Hanna Molden erstmals zum Forum Alpbach. Zu spät, weil es im Salzkammergut Hochwasser gegeben hatte. Aber an einem prachtvollen Sommerabend. „Es hat gewuselt. Das liebe ich so. Der Erste, den ich über die Straße hüpfen sah, mit einer Zeitung unter dem Arm, war der Hajek, dann der Popper“, erzählt sie. „Früher waren in Alpbach viel mehr Philosophen. Wo sind die heute? Genau die würde man doch heute brauchen!“

„Aber bitte kein Fleischhauer“

Nur an der Vielzahl an Erinnerungen und Geschichten merkt man Hanna Molden ihre 75 Jahre an, wie sie da auf der Terrasse ihres etwas abgelegenen Alpbacher Hauses sitzt, das ihr Mann 1970 dem Schriftsteller Arthur Koestler abgekauft hatte. („Der hat es nie länger als sieben Jahre an einem Ort ausgehalten.“) Koestler hatte Molden eigentlich gebeten, sich für ihn um einen adäquaten Käufer für das „Schreiberhäusl“ umzuschauen, wie er es nannte. Die neuen Besitzer müssten nicht schreiben, aber zumindest viel lesen, habe er gesagt. „Aber bitte kein Fleischhauer.“

Das Haus im Stile eines alten Alpbacher Bauernhauses, mit Holzverkleidung, Balkon und vielen Blumen sei sofort ihr „Herzenshaus“ geworden, erzählt Molden. Und dass ihr Mann sich wenige Jahre nach dem Kauf entschieden habe, es ihr zu schenken, habe sich als Glücksfall herausgestellt: Nach seinem fulminanten Konkurs 1982 war es das Einzige, was ihnen noch blieb. „Das war ein Glück, denn da hatten wir ein Dach über dem Kopf.“ Die Hälfte des Jahres lebt Hanna Molden bis heute in dem Tiroler Bergdorf. Obwohl es im Herbst schon zäh werde. („Es ist gemütlich, aber viel Holz zu schleppen, es gibt nur Kachelöfen hier.“) Als Alpbacherin fühlt sie sich trotzdem nicht.

„Mein Mann hat immer gesagt, man solle nie versuchen so zu tun, als gehöre man dazu. Das habe ich nie getan.“ Die Dorfbewohner würden sie als das nehmen, was sie sei. Und es würde ihnen gefallen, dass sie die Protagonisten der kleinen Feuilletonstücke sei, die sie unter dem Titel „Dorfgeschichten“ für die Tiroler „Krone“ schreibe. „Ich versuche, ihre sympathischen, witzigen Seiten herauszuarbeiten. Und die Sprache hat wunderbare Sachen.“ Der Begriff ,inanglaben‘ etwa, den alte Alpbacher verwenden würden, wenn zwei sich lieben. „Aneinander glauben. Das ist doch ein wundervoller Ausdruck.“

Verstehen tue sie inzwischen jedes Wort des Dialekts. „Aber ich fände es unendlich peinlich, einen fremden Dialekt nachzuahmen.“ Neben ihren Kolumnen arbeitet Molden an einem Roman, einer komischen Geschichte über eine Ärztin, die auf die Psychotherapie umsattelt. („Ich bin eine reine Unterhaltungsschreiberin.“)

„Er war ein toller Mensch“

Dass ihr Buch seit sieben Jahren in Arbeit ist, liegt am Lauf des Lebens. Erst erkrankte ihre Mutter, dann ihr Mann, der vor zweieinhalb Jahren im 90. Lebensjahr starb. Und nicht nur ihr werden die Augen feucht, wenn sie so einfache wie kraftvolle Sätze über ihn sagt wie: „Er war ein toller Mensch.“ Sie habe es gut gehabt, in den fast 50 Jahren, die sie miteinander waren. Und als der Moment vorüber ist, sagt sie: „Ich mein', ich hab's immer noch gut.“

Irgendwie scheint auch das Haus in Alpbach da eine Rolle zu spielen. Als sie es zum ersten Mal nach Fritz Moldens Tod wieder betrat, habe sie drei Kreuzerln gemacht und ein bisschen mit dem Haus geredet. („Das mache ich oft.“) Und das Gefühl gehabt, dass das Haus sie umarme. Und das tut es bis heute.

ZUR PERSON

Hanna Molden wurde 1940 in Wien geboren. Sie war fast 50 Jahre mit dem Widerstandskämpfer, Publizisten und Verleger Fritz Molden verheiratet, der unter anderem als Herausgeber der von seinem Vater Ernst wiedergegründeten „Presse“ fungierte. Otto Molden, der Bruder ihres 2014 verstorbenen Mannes, gründete das Europäische Forum Alpbach. Hanna Molden ist Autorin und Journalistin. Für die Tiroler „Kronenzeitung“ schreibt sie u. a. die Kolumne „Dorfgeschichten“, in denen es auch um Alpbach geht, wo sie die Hälfte des Jahres lebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2016)

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