Jonah Hill: "Moral ist individuell"

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Im Comedy-Drama "War Dogs" spielt der US-Komiker Jonah Hill ("21 Jump Street") einen naiv-narzisstischen Kriegsgewinnler, der beinahe ein Vermögen mit Waffendeals gemacht hat. Eine unglaubliche Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht.

Die schmutzigsten Scherze macht immer die Wirklichkeit. Das erkannte auch Regisseur und Drehbuchautor Todd Philips, dessen Ruhm sich bisher vor allem auf der „Hangover“-Trilogie begründete. In „War Dogs“ erzählt er eine wahre Geschichte – die von zwei jungen Männern, die mit ihrer Mini-Firma mit viel Chuzpe und grenzenloser Selbstüberschätzung beinahe einen der größten Waffendeals des Afghanistan-Kriegs umgesetzt hätten und nur wegen einer eigentlich nebensächlichen Achtlosigkeit scheiterten.

In der Hauptrolle des Ausnahmeunternehmers Efraim Diveroli besetzte er einen Kollegen, der bisher ebenfalls eher in der südlich der Gürtellinie angesiedelten Komödie daheim war: Jonah Hill, Comedy-Multitalent, der in der ungewohnten Rolle den inneren Kasperl überwindet und eine schauspielerische Meisterleistung hinlegt.

„War Dogs“ beruht auf einer wahren Geschichte, die erstmals 2011 als Artikel im Magazin „Rolling Stone“ aufgegriffen wurde. Haben Sie sie gekannt?

Jonah Hill: Ja, ich habe den Artikel gelesen, und ich konnte die Story ehrlich gesagt kaum glauben. Ich meine, das ist doch alles viel zu bizarr, um wahr zu sein.

Der Film bietet auch einen spannenden Einblick in das Waffengeschäft an sich.

Ich hatte von dem ganzen Kriegs- und Waffen-Business vorher überhaupt gar keine Ahnung. Aber es ist total spannend herauszufinden, auf welche Weise Leute daraus Profit schlagen können – völlig ohne Gefahr für Leib und Leben, und weit weg von dort, wo die Kriege tatsächlich stattfinden.


Ihre Filmfigur scheint vor Selbstvertrauen nahezu zu platzen – wobei nicht immer ganz klar ist, ob dieses nun gerechtfertigt ist oder nur auf bloßer Einbildung beruht. Wie schwierig war es für Sie, sich in diese Person hineinzuversetzen?

Efraim Diveroli ist ein Soziopath – ganz klar. Er ist ein meisterhafter Manipulator, sehr charmant und charismatisch, aber eben ein Soziopath. Das wirklich Schwierige an dieser Rolle war, ihn glaubhaft darzustellen und seine Charakterzüge nicht zu übertreiben. Ich musste mich da oft ganz schön zurücknehmen – anscheinend fiel es mir viel zu leicht, mich in ihn hineinzuversetzen. Vielleicht sollte mir das Sorgen machen? (lacht)

Regisseur Todd Phillips hat erzählt, dass er diese Rolle extra für Sie geschrieben hat.

Ich muss zugeben, dass ich die Rolle zwei- oder dreimal abgelehnt habe, bevor ich dann doch zugesagt habe. Ich hatte viel Respekt davor. Aber Efraim ist eine wirklich spannende Figur. Er ist kein guter Mensch, aber wenn man aus dem Film hinausgeht, kann man nicht anders, als ihn irgendwie auch gern zu haben. Und so etwas finde ich faszinierend – weil Moral an sich eine so individuelle und persönliche Angelegenheit ist, dass jeder Zuschauer zwangsläufig andere Erkenntnisse aus der Geschichte gewinnt. Es ist aufregend, Leute zu spielen, die das Publikum dazu auffordern, den eigenen moralischen Kodex offenzulegen. Ich meine, das meiste, was Efraim in diesem Film – und auch im echten Leben – gemacht hat, ist keineswegs illegal. Aber war es deswegen auch richtig?


Ihre Figur ist auch vom Look her sehr speziell. Wie kam er zustande?

Am Anfang stand eigentlich nur die falsche Bräune fest. Alles andere – Haare, Figur, die Klamotten, den Schmuck und natürlich seinen verrückter Lacher – haben wir erst nach und nach entwickelt.


Wie haben Sie sich vorbereitet?

Durch die Beschäftigung mit etwas, das ich „Miami Culture“ nenne. Sie ist sicher ein großer Teil von Efraims DNA. Miami ist ein spezielles Pflaster, mit einer speziellen Stimmung, von der sich schon TV-Serien wie „Miami Vice“ und „CSI: Miami“ inspirieren ließen. Da geht es vor allem darum, Kohle heranzuschaffen. Das kann man mit dem Verkauf von Bettwäsche versuchen, von Autos – oder auch von Koks und Waffen. Aber in jedem Fall wird in dieser Kultur der Erfolg am Talent zum Verschieben und Verchecken bemessen. Es ist eine Welt der Hustler.


Sie haben Ihren Filmlacher erwähnt, der wahrlich außergewöhnlich ist. War es schwer, sich ihn wieder abzugewöhnen?

(Lacht) Nein, gar nicht. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn jetzt überhaupt noch hinbekomme. Ich bin generell sehr gut darin, nach den Drehs alles abzustreifen.

Steckbrief

Jonah Hill stammt aus Los Angeles und wurde dort 1983 geboren. Sein Vater war Buchhalter der Rockband Guns'n'Roses. Er konzentrierte sich zunächst darauf, Stücke zu schreiben, fand dann jedoch – durch einen glücklichen Zufall – über die Einladung von Dustin Hoffmann zur Schauspielerei. Zweimal war er als bester Nebendarsteller für einen Oscar nominiert: „Wolf of Wall Street“ (2014) und „Moneyball“ (2012).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2016)

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