Explosion in Budapest war "ein Sprengsatz"

(c) APA/AFP/STR
  • Drucken

Experten glauben, dass eine Explosion in Budapest am Samstag "kein Unfall", sondern ein Anschlag war. Polizisten sind laut Behördenangaben "zweifelsfrei" das Ziel gewesen.

Budapest. Eine Explosion in Budapests Innenstadt am Samstagabend war „kein Unfall“, berichtet das staatliche Fernsehen. Der Sender M1 zitierte einen Experten des Innenministeriums mit den Worten, es habe sich allem Anschein nach um „einen Sprengsatz“ gehandelt. Andere Staatsmedien berichteten unter Berufung auf Sicherheitsquellen, dass ein anfangs noch denkbares Gasleck als Ursache der Detonation jetzt „ausgeschlossen“ werde. Überwachungskameras hätten zudem aufgezeichnet, dass ein Mann kurz vor der Explosion „eine Tasche“ an dem betreffenden Ort abgelegt und sich dann entfernt habe.

Der Tatort am Oktogon-Platz ist bei Touristen und jungen Ungarn wegen seines Nachtlebens beliebt, am Samstagabend waren entsprechend viele Menschen dort unterwegs. Dennoch wurden „nur“ zwei Polizisten verletzt, darunter eine Frau. Sie soll ernste Schädelverletzungen erlitten haben. Vor Ort wurden auch einige Nägel gefunden, von denen aber nicht klar ist, ob sie zum Sprengsatz gehört haben, um dessen Wirkung zu steigern.

"Polizisten Ziel des Anschlags"

"Die vorliegenden Indizien lassen zweifelsfrei darauf schließen, dass die Polizisten das Ziel des Anschlags waren", erklärte der ungarische Landespolizeikommandant Karoly Papp am Sonntagabend auf einer Pressekonferenz in Budapest. "Die gesamte ungarische Polizei war das Ziel, man wollte meine Polizisten hinrichten", fügte er hinzu. Die hohe Summe von 10 Millionen Forint (32.700 Euro) wurde für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder der Täter führen, ausgesetzt. Den Informationen zufolge befanden sich die beiden Beamten auf einer regulären Patrouille und wurden nicht im Besonderen an den Ort der späteren Explosion gerufen.

Auf die Frage eines Journalisten, ob es sich um einen Terroranschlag handelte, wollte Papp nicht antworten. "Die ermittelnde Staatsanwaltschaft spricht von sieben möglichen Versionen", sagte er. "Mehr kann ich derzeit dazu nicht sagen."

Wahlbeteiligung nicht sicher

Der Vorfall könnte erheblichen Einfluss auf ein für den 2. Oktober angesetztes Referendum zu Plänen der EU-Kommission haben, Flüchtlinge über eine Quotenregelung in allen EU-Ländern anzusiedeln. Die Regierung will eine solche Aufteilung verhindern. In Brüssel ist der Plan allerdings neuerdings gar nicht mehr auf der Tagesordnung, und Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Ungarn das Referendum deswegen für überflüssig hält. Trotz einer massiven Werbekampagne der Regierung ist es daher nicht sicher, ob die erforderlichen 50 Prozent Wahlbeteiligung erreicht werden. Als Folge der Explosion könnte aber nun eine gesteigerte Angst vor Terroranschlägen die Wähler doch noch verstärkt an die Urnen treiben. Zur wachsenden Angst vor muslimischen Migranten trug am Wochenende ein weiterer Vorfall bei: Die Staatsmedien berichteten von einem „Arabisch sprechenden Mann“, der mit einem Messer bewaffnet zwei Raubüberfälle begangen haben soll.

Die Polizei fahndet nun nach Medienangaben unter Einsatz von „mehreren Hundert“ Beamten nach „unbekannten Tätern“ wegen Verdachts auf versuchten Mord und schwere Körperverletzung. Noch 17 Stunden nach der Explosion war der Tatort am Sonntagnachmittag weiträumig abgesperrt, wurden Anwohner von der Polizei befragt. Abweichend von der Darstellung der Staatsmedien will das Nachrichten-magazin „HVG“ aus nicht weiter benannten Quellen erfahren haben, dass jemand mit einer „Tasche in der Hand“ in einem Toreingang gewartet und dann, als die beiden Polizisten „auf ihrer üblichen Route“ vorbeigekommen seien, „etwas aus der Tasche genommen und ihnen nachgeworfen“ habe. Die Person soll dann rasch die Straße überquert haben und verschwunden sein, „sah dabei aber unentwegt auf die Polizisten“ zurück, so HVG.

Die linksoppositionelle Demokratische Koalition des früheren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány verdächtigte die Regierung indes indirekt, hinter der Explosion zu stecken. Sie veröffentlichte ein „Ultimatum“: Die Behörden sollten bis Sonntag 18 Uhr bekannt geben, was tatsächlich geschehen sei. Sonst müsse man sich der „öffentlichen Meinung“ besonders in den sozialen Medien anschließen und davon ausgehen, dass eventuell die Hand der Regierung im Spiel sei, um die Bürger zur Teilnahme am Flüchtlingsquoten-Referendum am 2. Oktober zu bewegen. Das sei zwar nicht „unsere Behauptung“, sagte ein Parteisprecher, aber „die Vernebelung“ der Faktenlage bewege die Menschen dazu, solche Vermutungen anzustellen.

Die Behörden hatten am frühen Sonntagnachmittag noch nicht offiziell erklärt, ob es sich um einen Unfall oder einen Sprengstoffanschlag handelte, und falls Letzteres, ob eine terroristische Absicht dahintersteckte. Ein von den staatlichen Medien gern zitierter Sicherheitsexperte, Georg Spöttle, sagte dem Sender M1, dass es auch um „einen Bandenkrieg“ gehen könne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.