Väter: Spieler, Glucke, Abenteurer

Männer, die sich auf ihre Kinder einlassen, sind am glücklichsten, sagt eine neue Studie. Wie weit, kann sich jeder selbst aussuchen. Der Gestaltungsspielraum für diese Rolle war noch nie größer.

Als sein erster Sohn auf die Welt kam, kaufte Gerald einen Ring und eine Autorennbahn. Seine Frau freute sich über den Ring, steckte ihn an, betrachtete das schlafende Baby und warf einen skeptischen Blick auf die Autorennbahn. „Ein bisschen groß für ihn, findest du nicht?“, sagte sie. „Wieso für ihn?“, meinte Gerald. „Die ist für mich.“

Mittlerweile ist das Baby von damals acht Jahre alt, hat zwei Geschwister und ist ein Zampano an den Schalthebeln der Rennbahn. Doch Gerald und seine Frau erzählen die Geschichte von der vorausschauenden Investition in frühkindliche Motorsportbegeisterung noch immer gern. Und immer schließt Gerald mit dem Satz: „Ich hatte mich schon so darauf gefreut, mit meinem Kind zu spielen. Ich konnte es einfach nicht mehr erwarten.“

Prost, Daddy. So wie Gerald geht es vielen Vätern, die am heutigen Vatertag überschwänglich selbstgemalte Zeichnungen loben, tapfer das selbstgebastelte Frühstück hinunterwürgen und dazwischen vielleicht kurz über ihre Stellung in der Familie nachdenken. In Österreich sind solche beschaulichen Gedanken am Vatertag durchaus angesagt – im Gegensatz zu Deutschland, wo deutlich salopper gefeiert wird. Nicht nur das Datum ist ein anderes (2.Juni), auch die Aufweichung zum „Herrentag“ verführt offenbar viele Väter – und vor allem Nicht-Väter – dazu, sich selbst sehr ausgelassen zu feiern. Nachdem ein Streit im Suff jetzt einen Toten gefordert hat, bemühen sich deutsche Medien allerdings, erstens den USA die Schuld an dieser Entwicklung zu geben und zweitens aus dem Vatertag wieder den braven kleinen Bruder des deutlich seriöseren Muttertags zu machen.

Raus aus der Ernährerrolle. Keine schlechte Idee, wie eine vor Kurzem erschienene Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung zeigt (siehe unten). Sie attestiert nämlich engagierten Vätern die höchste Zufriedenheit mit ihrem Leben. „Für viele Männer stellt es auch eine Befreiung dar, aus dem Rollenbild des Ernährers auszubrechen. Zu einer zufriedenen Person gehören eben auch noch andere Aspekte“, sagt die Soziologin Christiane Rille-Pfeiffer, die die Studie gemeinsam mit Olaf Kapella (Sozialpädagoge) und dem Statistiker Andreas Baierl erstellt hat.

Ein Grund zum Feiern ist mit Sicherheit, dass es „die“ Vaterrolle heute nicht mehr gibt. Wer in der Familie welche Kinderkompetenzen übernimmt, das ist individuelle Verhandlungssache. Manche Parameter erweisen sich allerdings als äußerst hartnäckig. „Der gesamte Bereich der Pflege und Hege wird nach wie vor als weibliche Domäne gesehen“, sagt Rille-Pfeiffer. „Hier gilt noch immer: die Mutter weiß, wo's langgeht, ob das Badewasser zu heiß oder zu kalt ist, wie man mit einem Schnupfen umgeht. Viele Männer haben eine Hemmschwelle, in diesen Bereich einzubrechen.“

Wo Männer diesen Durchbruch wollen und schaffen, profitieren allerdings alle Seiten davon. Die Mütter lernen loszulassen und entlasten sich damit selbst. Die Väter bekommen die Bestätigung, dass sie und ihr individueller Stil in der Familie Platz haben, und die Kinder wachsen in Vielfalt auf.

Väter, die sich ein umfassendes Engagement nicht zutrauen, es sich zeitlich nicht leisten können oder auch an den Müttern scheitern, erobern und besetzen gerne ein anderes Land, in dem dafür so gut wie alles erlaubt ist: das des Spiels. „Der Spielfaktor macht vielen Männern den Einstieg in die Beschäftigung mit ihren Kindern leichter“, sagt Rille-Pfeiffer. „Da gibt es keine Vorgaben, da können Vater und Kind ihr Verhältnis so definieren, wie es für beide Seiten passt.“

Keiner kann verlieren. Die intensive spielerische Beschäftigung mit dem Nachwuchs ist für Väter eine klare Win-win-Situation. Die einen sind zufrieden, etwas pädagogisch Wertvolles zu leisten und Kindern, die bis zum Alter von zehn in einer weitgehend weiblich dominierten Heim-, Kindergarten- und Schulwelt erzogen und sozialisiert werden, die dringend notwendige männliche Perspektive zu vermitteln. Andere Väter sonnen sich in dem Gefühl, dass intensive Beschäftigung mit den eigenen Kindern gesellschaftlich sehr gern gesehen wird und man deshalb (derzeit) automatisch zu den „Guten“ gehört. Oder welcher Mann hätte etwas gegen die bewundernden Blicke aller ringsum sitzenden Frauen, wie sie vor kurzem wohlwollend auf zwei Jungvätern ruhten, die im Museumsquartier abwechselnd mit ihren Getränken und mit ihren Babys kämpften.

Für viele Männer hat das Spiel mit ihren Kindern aber auch eine ganz eigennützige Dimension: Sie genießen es, als Erwachsener die Dinge zu wiederholen, die sie selbst als Kinder getan haben oder gar zum ersten Mal etwas auszuprobieren, was sie sich schon immer gewünscht haben. Denn wer will einem mit 40 verbieten, die Eisenbahnstrecke quer durch die ganze Wohnung zu verlegen – vor allem, wenn man glaubhaft versichern kann, dass man das ja schließlich nicht für sich selbst tut?

Vater „Lederstrumpf“. Aus dieser Spielecke hat sich zuletzt ein Aspekt herausgebildet, der von Psychologen begeistert begrüßt wird: der Vater als Abenteurer, der seinen Sohn oder seine Tochter mit den Geheimnissen der Natur vertraut macht. In einer Zeit, in der „Stadtkinder“ bis zu einem gewissen Alter überhaupt nicht allein vor die Tür dürfen und auch der Aktionsradius von „Landkindern“ immer mehr eingeschränkt wird, kommt der Vater als moderner „Lederstrumpf“ gerade recht. „Wir sind viel draußen, oft einfach so vor der Haustür. Die Kinder durften alles einsammeln und ins Haus schleppen. Das hat mir mindestens genauso viel Spaß gemacht wie ihnen“, sagt Andreas Weber, Philosoph, Biologe und Autor von „Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur“ (Ullstein Verlag) Er warnt vor dem zunehmenden Rückzug von Kindern aus der Natur. Dadurch verkümmere die Empathie, Bindungsfähigkeit und Kreativität. „Im Matsch“, meint Weber, „ist Freiheit.“ Und von der Entdeckung dieser Freiheit profitieren nicht nur die Kinder, sondern auch ihre Väter.

Anleitung zum Abenteuer. Nachdem viele Väter aber offensichtlich schon vergessen haben, wo „draußen“ der Hammer hängt, gibt es mittlerweile eine Fülle von Anleitungen, wie man Abenteuer in das Leben seines Kindes bringt. Diese Handbücher gibt es vor allem für Söhne, Mädchen dürfen sich aber genauso angesprochen fühlen. Im „Dangerous Book for Boys“ (Blanvalet Taschenbuch Verlag) wird nicht nur erklärt, wie man eine Steinschleuder konstruiert und ein Baumhaus baut, sondern auch ein Wissenskanon erstellt, den ein Vater seinem Sohn weitergeben sollte.

Das weibliche Gegenstück „Secret Book for Girls“ richtet sich zwar vor allem an Mütter, kann aber auch vom Dad abgedeckt werden. In „Vater& Sohn“ (Otus Verlag) gibt es hundert Anregungen für gemeinsame Unternehmungen, inklusive der Möglichkeit, diese Erlebnisse zu dokumentieren. „Wir Jungs“ (Antje Kunstmann Verlag) erklärt, wie man Erfinder wird und wie man vom Zehnmeterbrett springt (oder elegant wieder herunterklettert). Womit der rundum nützliche Vater gleich noch einen Zweck erfüllt hat, nämlich seinen Kindern eine Lektion fürs Leben mitzugeben: dass man kein Waschlappen ist, wenn man sich ausnahmsweise einmal nicht nass macht.

TIPPS

Christian Ankowitsch: Wir Jungs. Ein Handbuch für Väter, Söhne und andere Abenteurer. Kunstmann Verlag, 256 Seiten, 16,90 Euro

Andreas Weber: Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur. Ullstein Verlag, 256 Seiten, 18,50 Euro

Conn Iggulden/Hal Iggulden: Dangerous Book for Boys. Das einzig wahre Handbuch für Väter und ihre Söhne. Blanlavet Taschenbuch Verlag, 304 Seiten, 12,95 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2011)

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