Jedes Chaos hat seine Profiteure

Ein Anstoß für die Überwindung der Pattstellung in der Hochschulpolitik: Vorschlag einer Uni-Finanzierung durch ECTS-Punkte.

Kurz vor Jahresende wurde der Entwurf einer Novelle zum Universitätsgesetz 2002 vorgelegt, der eine Zugangsbeschränkung zu Studienrichtungen mit hohen Studierendenzahlen vorsieht. Seine rechtlichen und sprachlichen Mängel sind Ausdruck dafür, dass sich die zuständigen EntscheidungsträgerInnen zu keiner gemeinsamen Position durchringen können. Jahrzehntelang lenkten sie von der Frage, wie man die Nachfrage nach Studien und die Kapazitäten in Einklang bringen kann, durch ständig neue organisations- und studienrechtliche Gesetzgebung ab. Ist es in dieser Situation nur möglich, dem Chaos mit Scheinaktionen zu begegnen?

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, einen Kompromiss zu skizzieren. Es wird vorgeschlagen, die Universitäten weiter öffentlich, jedoch auf der Basis der ECTS-Punkte zu finanzieren, und dabei an der freien Studienwahl festzuhalten, den Studierenden jedoch auch die Qual einer Entscheidung zu übertragen.

Das „European Credit Transfer System“ geht davon aus, dass das Arbeitspensum von Vollzeitstudierenden 60 ECTS-Punkten pro Jahr entspricht. Nehmen wir an, dass jedem Studierenden 300 Punkte zustehen. Diese reichen aus, um einen Master-Abschluss zu erlangen, können aber beliebig verbraucht werden, sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Sind diese 300 Punkte allerdings aufgebraucht, dann verliert man den Anspruch, das Studium fortzusetzen.

Der Vorteil des Vorschlages ist ein fünffacher: Erstens ist das System einigermaßen gerecht. Zweitens lehrt es den Umgang mit öffentlichen Gütern, die allgemein zugänglich, aber nicht unendlich sind. Drittens wird durch den Zwang, sorgfältig mit dem Recht zu studieren umzugehen, Steuerwirkung erzeugt. Viertens können Studium und Erwerbstätigkeit vereinbar gemacht werden. Und fünftens wird die Verantwortung für das Studium den Studierenden gelassen, die das Hauptrisiko einer etwaigen Arbeitslosigkeit tragen.

Berechnet man die Kosten der Studienplätze nach dem EU-Schnitt (5711 Euro pro Jahr) und teilt man sie auf die teureren technisch-naturwissenschaftlichen Fächer und die günstigeren „Buchfächer“ auf, kommt man auf Kosten von 110 bis 150 Euro pro Punkt. Das Modell wäre finanzierbar: Das Globalbudget der Unis beträgt derzeit 2,8 Milliarden Euro pro Jahr – eine Finanzierung durch ECTS-Punkte käme, das zeigen Berechnungen (siehe unten), auf die gleiche Summe.

Der Vorschlag ist als Anstoß zu verstehen, die Pattstellung in der Uni-Politik zu überwinden, nicht als Implementierungsplan. Da jedes Chaos seine ProfiteurInnen hat, ist nicht zu erwarten, dass das präsentierte Modell aufgegriffen wird. Auch jene, die eine gesonderte Finanzierung von Lehre und Forschung – und damit letztlich eine Trennung der beiden Bereiche – anstreben, werden es zur Seite schieben.

Eine detaillierte Beschreibung des Vorschlags von Dr. Elsa Hackl finden Sie als PDF-Dokument unter:

diepresse.com/uni-finanzierung

E-Mails an: bildung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2011)

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