Der zögerliche Mutbürger

Die hohen Erwartungen, die Androsch geweckt hat, kann er nicht erfüllen.

Wer zu sehr in die Breite geht, dem mangelt es an Tiefe – so lässt sich das Problem von Volksbegehrer und Ex-SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch wohl auf den Punkt bringen. Er wollte möglichst viele Unterstützer hinter seiner Idee einer Bildungsreform versammeln – jetzt ist er an deren Vielfalt gescheitert. Das Ergebnis: Für jemanden, der „alle Mutbürger“ aufgefordert hat, sein Volksbegehren mitzutragen, ist der vorgelegte Text überraschend mutlos.

Denn: Wer eine Gesamtschule will, der sollte sich das auch sagen trauen. Und sich nicht (um auch möglichst beiden Regierungsparteien zu gefallen) vor klaren Worten drücken. Und wer Studienplatzfinanzierung fordert, muss auch dazu stehen, dass eine solche nur finanzierbar sein wird, indem man die Platzzahlen an den Universitäten beschränkt.In seiner derzeitigen Form eignet sich das Volksbegehren kaum, um die Koalition wachzurütteln. Sondern klingt selbst wie ein von SPÖ und ÖVP erarbeiteter Kompromiss.

Androsch sollte sich damit nicht zufrieden geben. Denn seine Ansätze (von der Stärkung der Lehrer bis zur Schulautonomie) sind gut. Die Zeit, die ihm bis zur Beantragung noch bleibt, sollte er nützen, um beim Text kräftig nachzuschärfen. Sonst ist die große Chance, eine breite Öffentlichkeit zu einem Statement für eine neue Bildungslandschaft zu bewegen, wieder für lange Zeit vertan.

christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Bildungsvolksbegehren entzweit ÖGB

Der Gewerkschaftsbund berät über die Initiative des ehemaligen SPÖ-Vizekanzlers Androsch. Jedoch wird es keine einhellige Schützenhilfe geben. Die Christgewerkschafter sind gegen eine Unterstützung.
Bildungsvolksbegehren Industrie unterstuetzt Androsch
Schule

Bildungsvolksbegehren: Industrie unterstützt Androsch

Die Industriellenvereinigung will "keine Einzelmaßnahmen mehr sehen, sondern ein Gesamtpaket". Auch eine Gesamtschule sei vorstellbar.
Androsch Bildungsvolksbegehren erst September
Schule

Androsch: Bildungsvolksbegehren erst im September

Wegen zahlreicher Feiertage im Juni will Ex-Vizekanzler Androsch sein Bildungsvolksbegehren verschieben. Die Frist für die Unterstützungserklärungen wird ausgedehnt.
Bildungsvolksbegehren Gemeinsame Schule Ziel
Schule

Bildungsvolksbegehren: Gemeinsame Schule bis 15 ist Ziel

Die Initiatoren einigen sich auf "leistungsdifferenzierte, hochwertige gemeinsame Schule". Grüne jubeln, ÖVP tobt, Androsch sorgt für Verwirrung.
Volksbegehren praezisiert Kurs Gesamtschule
Schule

Volksbegehren präzisiert: Kurs auf Gesamtschule

In einer präzisierten Langfassung des Bildungsvolksbegehrens ist nun auch von einer "qualitativ hochwertigen gemeinsame Schule", also für alle Zehn- bis 14-Jährigen, die Rede.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.